Stellungnahme des AK GEM zur „Neuen Schulanfangsphase“

Beschlussfassung vom 27. 1. 04

Zur Situation

Der Berliner Senat hat mit der Verabschiedung des neuen Schulgesetzes die Vorverlegung des Beginns der Schulpflicht um ein halbes Jahr sowie die Einführung der „neuen Schulanfangsphase“ zum Schuljahr 2005/2006 beschlossen. Die Schulanfangsphase umfasst die Jahrgangsstufen 1 und 2. Sie knüpft – laut Schulgesetz §20 (2) „an die individuelle Ausgangslage der Schülerinnen und Schüler, ihre vorschulische Erfahrung sowie ihre Lebensumwelt an. Sie hat das Ziel, die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler durch Formen des gemeinsamen Lernens, Arbeitens und Spielens zu entwickeln und zu erweitern und dabei die soziale Kompetenz zu fördern.“ Die nähere Ausgestaltung der Schulanfangsphase soll durch Rechtsverordnung geregelt werden. Die Ressourcenfrage ist noch offen.

Was ist „neu“ an der „neuen Schulanfangsphase?

• Die Schulpflicht beginnt ein halbes Jahr früher. • Die Vorklassen entfallen. • Alle schulpflichtigen Kinder werden eingeschult; auf Zurückstellungen soll grundsätzlich verzichtet werden; die Heterogenität der Lerngruppen nimmt zwangsläufig zu. • In der Schulanfangsphase werden vermutlich neben Lehrer/innen zugleich di bisherigen Vorklassenleiter/innen und Erzieher/innen tätig sein. • In der Schulanfangsphase als einer pädagogischen Einheit entfällt das Aufrücken von der ersten in die zweite Jahrgangsstufe. Es werden jedoch am Ende der Jahrgangsstufe 1 Zeugnisse erteilt. Schüler/innen, die die „Lern- und Entwicklungsziele der Schulanfangsphase erreicht haben, können auf Antrag der Eltern vorzeitig in die Jahrgangsstufe 3 aufrücken. Kinder, die am Ende der Schulanfangsphase diese Ziele noch nicht erreicht haben, können auf Beschluss der Klassenkonferenz oder auf Antrag der Eltern ein zusätzliches Schuljahr in der Anfangsphase bleiben, ohne dass dieses Schuljahr auf die Schulpflicht angerechnet wird.“ • Die Regelungen zur Schulanfangsphase gelten auch für „Sonderschulen“ (Ausnahme: Förderschwerpunkt „Lernen“). • Es wird künftig für Kinder mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „Lernen“ keine 1. und 2. Jahrgangsstufen an „Sonderschulen“ mehr geben. Auch sonderpädagogische Förderklassen und Kleinklassen soll es künftig nicht mehr geben. • Für die Förderschwerpunkte „Lernen“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“ soll es keine Eingangsfeststellung für einen sonderpädagogischen Bedarf geben, sondern Beobachtung und individuelle Förderung. Erst ab Klasse 3 ist hier ggf. eine sonderpädagogische Förderung vorgesehen. Es soll pro Klasse eine Basisausstattung sonderpädagogischer Förderung geben, vermutlich 3 h. Der Rest – etwa 2 h – soll zur Schwerpunktbildung (LRS, Entwicklungspädagogischer Unterricht für verhaltensauffällige Schüler u.a.) verwendet werden. • Eine jahrgangsübergreifende Organisation der Lerngruppen soll grundsätzlich eingeführt werden.

Forderungen des AK GEM

• Die Lerngruppen der Schulanfangsphase müssen in ihren Rahmenbedingungen (Frequenz, personelle Ressourcen, Räume) den integrationspädagogischen Aufgaben der Schulanfangsphase bei größerer Heterogenität der Lerngruppen genügen und Bezug nehmen auf regionale Besonderheiten. • Der AK GEM hält in der „neuen Schulanfangsphase“ Lerngruppen mit maximal 20 Kindern für pädagogisch erforderlich, damit Individualisierung tatsächlich umsetzbar ist. • Der AK GEM fordert zusätzliches Personal und Unterstützungssysteme innerhalb der Schule, um die Ziele der neuen Schulanfangsphase realisierbar zu machen und Chancengleichheit zu ermöglichen. Die Einbeziehung des Bandbreitenmodells in die Schuleingangsphase lehnt der AK GEM ab. • Der Übergang in die Jahrgangsstufe 3 der Grundschule muss auf der Grundlage prozessorientierter – nicht normorientierter – Kriterien erfolgen. Deshalb muss bei einer positiven Lern- und Leistungsentwicklung eines Kindes der Übergang in die Jahrgangsstufe 3 erfolgen, selbst wenn die Jahrgangsnormen nicht erfüllt sind. Bei Schülern, die drei Jahre in der Schulanfangsphase verbleiben, muss in jedem Fall danach der Übergang – ggf. mit zusätzlichem sonderpädagogischen Förderbedarf – sicher gestellt sein. • Das kürzere oder längere Verbleiben eines Kindes in der Schulanfangsphase soll grundsätzlich auf der Grundlage einer gemeinsamen Entscheidung der Erziehungsberechtigten und der Klassenkonferenz erfolgen. • Für die Umsetzung der integrationspädagogischen Ziele der „neuen Schulanfangsphase“ in einem individualisierenden und zugleich kooperativen Unterricht muss ein vorbereitendes und begleitendes unterstützendes Qualifizierungsprogramm eingerichtet werden; die Teilnahme sollte für die in der Schulanfangsphase tätigen Pädagoginnen und Pädagogen im Rahmen ihrer Dienstzeit erfolgen und verpflichtend sein. • Die Umsetzung der integrationspädagogischen Ziele der Schulanfangsphase ist im Schulprogramm jeder Schule darzustellen. • Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport wird aufgefordert, die Rahmenbedingungen der neuen Schulanfangsphase unverzüglich bekannt zu geben.