Herzlich Willkommen auf der Seite des AK GEM.

Der Arbeitskreis Gemeinsam für inklusive Bildung (AK GEM) ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Personen, der in Berlin bildungspolitisch und pädagogisch Stellung zur inklusiven Entwicklung im vorschulischen Bereich und in allgemein- und berufsbildenden Schulen nimmt. Er wurde 1991eingerichtet und besteht inzwischen seit über 25 Jahren.
Im AK GEM arbeiten u.a. mit:

  • Lehrer*innen an öffentlichen und privaten Schulen unterschiedlicher Schulformen
  • Erzieher*innen
  • Sozialpädagog*innen
  • Eltern
  • Schulleiter*innen
  • Hochschullehrer*innen
  • Vertreter*innen der GEW Berlin und
  • Vertreter*innen des Grundschulverbandes.

Der AK GEM wird aktuell von drei Sprecherinnen und zwei Sprechern geleitet:

  • Dr. Irene Demmer-Dieckmann
  • Daniel Dollezal
  • Edeltraud Huldisch
  • Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz und
  • Dr. Rainer Maikowski.

Die Geschichte des AK GEM ist in folgendem Text nachzulesen: Geschichte des AK GEM.

Prüfsteine für Inklusive Bildung in Berlin 2016- 2021

Juni 2016

Der Arbeitskreis Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher wirbt seit 1991 in Berlin für das gemeinsame Aufwachsen, Lernen und Leben von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen und damit mit den unterschiedlichsten individuellen, familiären und gesellschaftlichen Möglichkeiten. Der AK GEM ist überzeugt, dass die alltägliche Erfahrung gemeinsamen Lernens in Kita, Schule und Ausbildung bei ganz unterschiedlichen kognitiven, psychischen und physischen Voraussetzungen und Herkünften nicht nur individuell bereichert, sondern auch zur demokratischen Haltung beiträgt. Inklusion ist ein Grundelement einer zukunftsfähigen, pluralistischen, demokratischen und offenen Gesellschaft. Sie ist ein Kernelement einer Schule für alle, die auf einer Pädagogik der Vielfalt beruht und selbstverständlich weit über das gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen hinausgeht.

Berlin hat in seinem Bildungssystem, vor allem in den Kindertagesstätten und allgemeinen Schulen, seit langem viel für die Entwicklung inklusiver Bildung getan, durch eine integrationsorientierte Entwicklung der Kindertagesstätten und den allmählichen Auf- und Ausbau integrativen, gemeinsamen Lernens vor allem in Grundschulen und Integrierten Sekundarschulen in allen Bezirken Berlins. In den letzten 15 Jahren sind jedoch aufgrund der bis vor wenigen Jahren ‚gedeckelten‘ Stellen für sonderpädagogische Förderung im gemeinsamen Unterricht und aufgrund der Aufrechterhaltung eines ausgebauten und verfestigten Systems verschiedener Förderschularten (mit günstigen Ausstattungen) die personellen, räumlichen und sächlichen Voraussetzungen für gemeinsames Lernen in den allgemeinen Schulen verschlechtert worden. Gemeinsames Lernen ist nicht nur lernwirksamer, sondern muss durch bessere personelle, organisatorische und räumliche Bedingungen für noch mehr Eltern, Kinder und Lehrkräfte attraktiver werden.

Der AK GEM fordert daher für die kommende Legislaturperiode:

  1. Der Ausbau der Inklusiven Berliner Bildung muss im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zügig fortgesetzt werden, so dass im Jahr 2020 mindestens 80% aller Schulen (aller Schularten, einschließlich der beruflichen Bildung) inklusive Profile und Ausstattungen haben. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der Ausbau der gemeinsamen Erziehung auch zum tatsächlichen Abbau der Schulplätze in Förderschulen führt (‚System der kommunizierenden Röhren‘). Das Berliner Schulgesetz muss im Sinne von Inklusion novelliert werden, insbesondere der § 37, der das uneingeschränkte Recht auf inklusives Lernen in allgemeinen Schulen enthalten muss. Berlin kann sich hier an Hamburg orientieren.
  1. Der AK GEM unterstützt die Einrichtung der sog. Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) in allen Bezirken Berlins. Die Integration von Schulpsychologie, inklusionspädagogischer Beratung, der Jugend- und Sozialarbeit und die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen muss gelingen, vor allem um die Entwicklung der inklusiven Schulentwicklung zu unterstützen und die Beratung und Förderung von Heranwachsenden mit Verhaltensproblemen zu stärken. Eine Ombudsstelle zur Klärung und Moderation von Konflikten sollte an die SIBUZ angegliedert werden. Die SIBUZ sollten entwicklungsbegleitend und praxisnah wissenschaftlich begleitet werden, unter Einbeziehung der Erfahrungen in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg.
  1. Die neu einzurichtenden inklusiven Schwerpunktschulen betrachtet der AK GEM als eine Übergangsmöglichkeit, um durch eine attraktive baulich-räumliche, sächliche und personelle Ausstattung den Kindern und ihren Eltern für die Förderbereiche Hören, Sehen, geistige, körperlich-motorische Entwicklung und Autismus echte Alternativen zur Förderschule anzubieten. Bei dieser Entwicklung dürfen aber Schulen, die seit Jahren Kinder aller Förderschwerpunkte aufnehmen und sich Verdienste um das gemeinsame Lernen und Leben gemacht haben, nicht in ihrer bisherigen Arbeit benachteiligt werden. Bei der Evaluation der Schwerpunktschulen sollte daher auch untersucht werden, wie sich die Bereitschaft anderer Schulen entwickelt, inklusive Schulkonzepte zu realisieren.
  1. Das Konzept der verlässlichen Grundausstattung für die Förderbereiche Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache (LES) wird unterstützt. Es sollte ab seiner Einführung im Schuljahr 2017/18 prozessbegleitend evaluiert werden. Die Übergangsfragen von der Grundschule zur Sekundarstufe I bei der Einführung der verlässlichen Grundausstattung für LES müssen bis Ende 2018 geklärt werden.
  1. Inklusive Schulen brauchen eine innerschulische Koordination für alle sonder- und sozialpädagogischen Aktivitäten und für die notwendigen dauerhaften Kontakte zu Jugendamt, Sozialamt, SIBUZ, Vereinen und anderen in einem Innerschulischen Zentrum für Inklusion (Zentrum für pädagogische Unterstützung oder Ressource Center). Im Jahr 2020 sollten mindestens alle Ganztagsschulen solche Zentren mit entsprechender räumlicher Ausstattung und einer verantwortlichen Person (mit Anrechnungsstunden) haben.
  1. Inklusive Schulen sollten Ganztagsschulen sein, am besten gebundene! Entsprechend ist ein Programm für eine qualitätsvolle, kinder- und jugendfreundliche Schulentwicklung mit einem rhythmisierten Tagesablauf zu entwickeln und eine angemessene personelle sonder- und sozialpädagogische Ausstattung dauerhaft vorzuhalten.
  1. Der Integrative Rahmenlehrplan wird begrüßt. Er verlangt jedoch neue Formen der Bewertung und der Abschlüsse, die kompetenzorientiert, nicht diskriminierend und für Eltern, Schülerinnen und Schüler und für die Abnehmer inhaltlich klar sind. Die kommende Bildungsverwaltung wird aufgefordert, dafür bis Ende 2017 ein von Lehrkräften praktizierbares Konzept vorzulegen.
  1. Ein qualitativ hochwertiger, kooperativer und binnendifferenzierter Unterricht, Zeit für individuelle Rückmeldungen und die Förderung der Selbstregulierung der Schülerinnen und Schüler, Zeit für Fallbesprechungen, gemeinsame Unterrichts- und Förderplanungsarbeit, die Zusammenarbeit mit schulexternen Einrichtungen u.a. erfordert für alle inklusiv arbeitenden Schulen einen Stundenpool, der demokratisch in schulinterner Absprache verteilt wird. Hektik und zeitliche Überforderung wirken sich ungünstig auf das Schulklima und auf das Wohlbefinden, die Gesundheit, die Motivation und auf die Leistungen von Pädagogen und Schülern aus.
  1. Nach wie vor verlässt trotz Schulstrukturreform eine zu große Gruppe von Jugendlichen ohne Abschluss die Schule, darunter viele mit bisheriger sonderpädagogischer Förderung, und auch deren Perspektiven in Ausbildung und Berufseinstieg sind risikobehaftet. Daher verlangt der AK GEM von der Bildungsverwaltung, ein pädagogisches Gesamtkonzept von der Sekundarstufe bis zur beruflichen Bildung vorzulegen, bei dem jahrgangsübergreifendes Lernen, Zertifizierung von Teilqualifikationen, polytechische Angebote und die Verpflichtung zu Individualisierung und Differenzierung bis in die Sekundarstufe II einbezogen sind. Dazu gehören auch Überlegungen, eine Öffnung des MSA hin zu kompetenzbezogenen Qualifikationen (im Rahmen von Modellversuchen) zu ermöglichen.
  1. In die Inklusive Bildungsentwicklung sind die Schulen der freien Träger gleichberechtigt einzubeziehen. Dabei sollen die inklusionsbezogenen sonderpädagogischen Mittel extra ausgewiesen und aus der bisherigen pauschalen (schulformbezogenen) Personalzuweisung herausgenommen werden.
  1. In den Inklusiv arbeitenden Schulen muss eine einfache, aber transparente Rechenschaftslegung über die erforderlichen – meist sonderpädagogischen – Ressourcen eingeführt werden. Das gilt sowohl für die verlässliche Grundausstattung im Förderbereich LES wie für die Zuweisung bei den übrigen Förderschwerpunkten. Rechenschaftslegung über die Verwendung dieser Ressourcen sollten für die öffentlichen Schulen wie für die Schulen in freier Trägerschaft in gleicher Weise gelten.
  1. Der AK GEM hat die Einrichtung eines Beirates Inklusion bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und dessen praxisnahe Arbeit begrüßt und fordert auch für die nächste Legislaturperiode einen entsprechenden Beirat. Die neue Regierung ist darüber hinaus aufgefordert, wie in anderen Bundesländern eine Stabsstelle Inklusion beim Regierenden Bürgermeister und einen zugeordneten Beirat Inklusion für alle Lebensbereichen einzurichten. Menschen mit Beeinträchtigungen und ihre Angehörigen müssen einen einheitlichen Ansprech- und Verhandlungspartner in Berlin haben und dürfen nicht auf 12 Bezirke oder einzelne Verwaltungen verwiesen werden.

Stellungnahme des AK GEM zur Beiratsempfehlung „Inklusive Schule in Berlin“

Verabschiedet in der Sitzung des AK GEM am 05.03.2013

Der AK GEM hat sich seit Vorlage des Senatsplans „Gesamtkonzept Inklusive Schule“ vom Januar 2011 an dessen Weiterentwicklung aktiv beteiligt durch

  • seine Stellungnahmen vom 01.03.2011 und 13.03.2012,
  • die Teilnahme an den Konsultationsrunden und dem danach folgenden Beirat,
  • seine Stellungnahme vom 06.11.2012 zu den Empfehlungen der Expertenkommission Lehrerbildung „Ausbildung von Lehrkräften in Berlin“ (September 2012) und
  • durch seine Mitwirkung an zahlreichen Veranstaltungen.

Dabei ist der AK GEM immer davon ausgegangen, dass „Inklusion“ ein erst noch zu erreichendes gesellschaftliches Ziel ist, das sich nicht nur auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bezieht, sondern sich im Kern auf die individuelle Förderung im Kontext einer Pädagogik der Vielfalt auf alle bezieht, nicht nur auf die, für die zusätzliche Unterstützung aus den unterschiedlichsten Gründen hilfreich ist (z.B. Spracherwerb des Deutschen, Teilleistungsstörungen, aber auch Talentförderung). Die inklusive Schulentwicklung ist darüber hinaus in einem ebenfalls inklusiv zu entwickelnden Bildungs- und Sozialraum zu entwickeln.

Dennoch begrüßt es der AK GEM, dass sich der Beirat in seinen Empfehlungen auf die in der öffentlichen und fachlichen Diskussion zentralen Fragestellungen konzentriert. Der AK GEM nimmt im Folgenden tabellarisch zu den einzelnen Empfehlungen Stellung und verbindet sie, in Bezug auf die bisherigen Positionen des AK GEM, mit zustimmenden bzw. kritischen Anmerkungen.

Stichwort der Beiratsempfehlung

Anmerkung bzw. Bewertung

1 Recht auf Inklusion im SchG ohne Vorbehalt

Volle Zustimmung; dringend ist nun die umgehende Realisierung!

2 Regionalisierung, Vereinheitlichung und Qualifizierung der Diagnostik

Zustimmung!

3 Rahmenpläne integrieren

Zustimmung!

4 Einrichtung von regionalen BUZ

Zustimmung, vor allem auch zur Einbeziehung der Schulpsychologie

5 Einrichtung von Zentren für Inklusion in jeder Schule

Zustimmung! Dringend erforderlich! Ermäßigungsstunden für die Leitung sind vorzuhalten

6 Schwerpunktschulen

Zustimmung; der AK GEM verweist ausdrücklich auf seine Stellungnahme vom 01.03.2011, in der Schwerpunktschulen als Zwischenschritt beschrieben werden.

Geklärt werden muss von SenBJW, wie die ‚Gefahr des Abdrängens‘ (Beirat) vermieden werden kann.

7 AGs für spezielle Behinderungen

Zustimmung, zügiger Beginn!

8 Bündelung LES

Zustimmung! Der AK GEM spricht sich erneut dafür aus, dass die Schulen mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten Lernen und Sprache (Sonderschulen) generell keine neuen Schüler/innen aufnehmen sollten (s. Stellungnahme vom 01.03.2011).

9 Verlässliche Grundausstattung LES

Zustimmung! Der AK GEM hält einen Zeitplan und Festlegung einer Zielquote Inklusion für notwendig.

10 Inklusionsmittel bis 2018 sichern

Zustimmung; zugleich verweist der AK GEM jedoch darauf, dass die Senatsplanung von der Ausstattung der Sonderpädagogikstellen von 2008 ausging, zwischenzeitlich fielen erhebliche Stellen in Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt (Sonderschulen) weg, ohne zu 100% in den Gemeinsamen Unterricht an allgemeinen Schulen verlagert worden zu sein.

11 Ausstattungssicherheit

Zustimmung! Transparenz und Verlässlichkeit würden so endlich für alle Schulen gewährleistet!

12 und 13 Ausstattung LES und Nachsteuerungspool (300 Stellen)

Der AK GEM hat in seiner Stellungnahme vom 01.03.2011 das Grundprinzip einer allg. (sozial differenzierten) LES-Quote begrüßt, jedoch einen Multiplikator von 3,5 h statt 2,5 h gefordert. Allerdings sind damals weder die soziale Differenzierung auf die Einzelschulen (sondern auf Bezirke) vorgenommen worden, noch war ein Nachsteuerungspool angedacht (weder vom Senat noch vom AK GEM). Die Kombination von Grundausstattung für LES und Nachsteuerungsmöglichkeit wird daher nun vom AK GEM ausdrücklich begrüßt.

Es wird darauf hingewiesen, dass u.E. in der Beiratsempfehlung ein Druckfehler enthalten ist: Es muss in Bezug auf die ISS von einer Spreizung von 2,5% bis 9 % (nicht 8%) ausgegangen werden.

14 Verbindliche Kooperation an den Schnittstellen

Zustimmung! Hier sind auch mit den freien Trägern im Kita-Bereich und mit den Kammern im Ausbildungsbereich umgehend Absprachen zu entwickeln.

15 Gesamtbereich berufliche Bildung

Zustimmung! Ein Gesamtkonzept sollte bis Ende des Jahres vorliegen, damit es öffentlich diskutiert werden kann.

16 Räumliche Voraussetzungen für Inklusion

Zustimmung!

17 Fort- und Weiterbildung

Zustimmung; erforderlich ist eine Klärung, inwieweit hier bezirksübergreifende, für das Land Berlin spezifische Angebote entwickelt, finanziert und zentral in Berlin vorgehalten werden können.

18 Verlässliche Assistenz auch in der Ganztagsschule

Zustimmung!

19 Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe

Diese richtige Forderung, die auch im Senatsplan enthalten ist, hat jedoch bislang nicht zu mehr als unverbindlichen Appellen geführt. Die Bildungsverwaltung ist hier dringend aufgefordert, endlich strukturelle Vorschläge vorzulegen!

20 Einrichtung von Projektgruppe Inklusion, Fachbeirat und Foren

Zustimmung! Sie dürfen jedoch nicht dazu führen, dass das Land Berlin seine Entscheidungen weiter hinauszögert!

Offene Fragen aus Sicht des AK GEM:

  • Es fehlen Aussagen zur Leistungsbewertung, zum Übergang Grundschule/ Sekundarschule I und zu den Abschlüssen (Portfolio-Frage usw.).
  • Nur kursorisch wird auf Gymnasien Bezug genommen. Es sollte in einer Arbeitsgruppe geklärt werden, in welcher Form Gymnasien in den inklusiven Prozess – mehr als nur in Form zielgleicher Integration – einbezogen werden können.
  • Die sonderpädagogische Grundausstattung der öffentlichen Schulen geht auch in den Zuweisungsfaktor an Schulen in freier Trägerschaft ein, ohne dass diese Schulen bislang diese Mittel für sonderpädagogische Förderarbeit einsetzen müssen (keine Zweckbindung) und dies in der Regel auch nicht tun. Der AK GEM hat darauf in seiner gesonderten Stellungnahme vom 25.06.2009 verwiesen. Weder in der Senatsvorlage noch im Beirat wird auf dieses Problem eingegangen.

Der AK GEM fordert Senat und Parlament auf, die inklusive Schulentwicklung zügig umzusetzen, damit im Schuljahr 2014/15, wie vom Beirat vorgeschlagen, damit begonnen werden kann.

Stellungnahme des AK GEM zu den Empfehlungen der Expertenkommission Lehrerbildung „Ausbildung von Lehrkräften in Berlin“

Verabschiedet in der Sitzung des AK GEM am 06.11.2012

Der Arbeitskreis Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher (AK GEM) begrüßt das Vorhaben, die Lehrerbildung in Berlin neu zu ordnen. Er nimmt zu den Empfehlungen der Expertenkommission unter inklusionsbezogenen Aspekten wie folgt Stellung:

  1. Der AK GEM begrüßt es, dass die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskommission und damit der Weg zu einem inklusiven Bildungssystem in Berlin in den Empfehlungen der Expertenkommission einen hohen Stellenwert einnimmt (vgl. 5.3) und die dafür notwendigen Kompetenzen als Teil der allgemeinen Anforderungen an die Lehrerbildung in allen Lehrämtern angesehen wird (vgl. 2.3).
  1. Inklusion setzt voraus, dass alle Lehrkräfte in Berlin im Umgang mit Heterogenität und Behinderungen Kompetenzen erwerben. Die von der Expertenkommission darauf bezogenen Ziele werden vom AK GEM ausdrücklich begrüßt. Der für alle Lehrämter zur Realisierung vorgeschlagene Umfang von 12-15 Leistungspunkten erscheint dafür ausreichend. Der AK GEM empfiehlt, diesen Studienanteil entgegen der Begrifflichkeit der Expertenkommission nicht als ‚sonderpädagogische Grundqualifikation’, sondern als Grundqualifikation Inklusive Bildung zu bezeichnen, denn sie geht über sonderpädagogische Fachlichkeit erkennbar hinaus.
  1. Der AK GEM begrüßt es außerordentlich, dass die Expertenkommission – neben den 6 Leistungspunkten für Erziehungswissenschaft – für jede Fachdidaktik 3 Leistungspunkte für Inklusion ansetzt, denn Inklusive Bildung muss im jedem Unterrichtsfach umgesetzt werden (im Lehramt Grundschule je 3 Leistungspunkte für die drei Studienfelder/Fächer).
  1. Die Expertenkommission stellt die Unterausstattung mit Lehrkräften mit sonderpädagogischem Schwerpunkt dar (vgl. 4.2). Der AK GEM hat seit Jahren gefordert, dass neben dem bisherigen Lehramt Sonderpädagogik die sonderpädagogischen Teilgebiete Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache (LES) in allen übrigen Lehrämtern als Zweitfach studiert werden können, um einerseits in diesen Förderbereichen das Defizit abzuschwächen, andererseits es mit der übrigen Lehramtskompetenz enger zu verbinden. Die Expertenkommission geht darüber hinaus und schlägt die vollständige Integration der sonderpädagogischen Studienrichtungen in die übrigen Lehrämter vor (vgl. 6.4). Diesen Vorschlag unterstützt der AK GEM. Damit besteht die Chance, dass die historische Trennung zwischen allgemeiner Pädagogik und Sonderpädagogik (mit seinen bis zu acht Teil-Pädagogiken) überwunden und dennoch die fachliche Spezifität erhalten bleibt.
  1. Der AK GEM unterstützt die Empfehlung, die drei Förderschwerpunkte Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache (LES) zu einem Profilbereich im Lehramt mit dem Studienschwerpunkt Sonderpädagogik zu verdichten (vgl. 6.4).
  1. Die Expertenkommission schlägt außerdem vor, die Bedarfslücke an Lehrkräften mit sonderpädagogischem Schwerpunkt (für den inklusiven Unterricht, aber auch für die inklusionsorientierte Fortbildung und die sonderpädagogische Koordination an allgemeinen Schulen) zusätzlich durch einen berufsbegleitenden Master-Aufbaustudiengang Sonderpädagogik/Rehabilitationswissenschaft zu verringern (vgl. 6.5). Der AK GEM unterstützt diesen Vorschlag. Die derzeit von der Senatsverwaltung durchgeführte Weiterbildung zur Inklusion in der Schule sollte so in diesen Aufbaustudiengang überführt werden, dass die fachliche und berufspraktische Kompetenz von erfahrenen Lehrerinnen und Lehrern dort mit eingebracht werden kann. Ein Weiterbildungsstudiengang sollte darüber hinaus nicht als ‚Sonderpädagogik/Rehabilitationswissenschaft’, sondern als ‚Sonderpädagogik/Inklusion’ bezeichnet werden.
  1. Die Expertenkommission beschränkt sich auf Vorschläge für die nur mittelfristig wirksame Lehrerbildung. Um so wichtiger ist es, den Schulen ein qualifiziertes und systematisches Fortbildungsangebot zu machen, das über die gegenwärtigen, oft von regionalen Zufälligkeiten abhängigen Einzelveranstaltungen hinausgeht und die Schulen in die Lage versetzt, einen adaptiven Unterricht unter Bedingungen von Heterogenität zu realisieren. Zu dieser Fortbildung gehören auch prozessorientierte Diagnostik und Förderung sowie Teamarbeit und Beratungskompetenz, um so eine inklusive Schulentwicklung zu befördern.
  1. Um die geforderten 12-15 Leistungspunkte in Inklusion in der Lehrerausbildung zu verankern, ist sicherzustellen, dass das universitäre Lehrpersonal in Erziehungswissenschaft wie in allen Fachdidaktiken fachlich qualifiziert ist und entsprechende personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
  1. Für den ansteigenden Lehrbedarf und die erforderlichen Forschungen sind je eine erziehungswissenschaftliche Professur Inklusive Bildung (Lernen unter Bedingungen von Heterogenität) an HU und FU erforderlich.
  1. Der AK GEM fordert die politisch Verantwortlichen auf, angesichts der Notwendigkeit, den Weg zur Berliner inklusiven Schulentwicklung voranzubringen, die Vorschläge der Expertenkommission Lehrerbildung zügig umzusetzen .

Zweite Stellungnahme des AK Gem zum Senatsplan: „Gesamtkonzept „Inklusive Schule“. Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“

Verabschiedet in der Sitzung des AK Gem am 13.03.2012

Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft hat im Rahmen der sog. Konsultationen alle daran Beteiligten aufgerufen, bis zum 27.03.2012 erneut zum o.g. Senatsplan Stellung zu nehmen, damit die Stellungnahmen in die geplante Überarbeitung der bisherigen Senatsvorlage einbezogen werden können. Der AK Gem hat sich zum Senatskonzept im März 2011 geäußert. Diese Vorschläge bzw. kritischen Einwände gelten weiterhin [1] . Sie werden diesem Beschluss erneut angefügt.

Durch die eingetretenen Verzögerungen ist es aus Sicht des AK Gem notwendig geworden, zu einigen Punkten ergänzend Stellung zu beziehen.

Der AK Gem bedauert die Verzögerungen in der Umsetzung auf dem Weg zur inklusiven Berliner Schule und fordert den Berliner Senat auf, zeitnahe Entscheidungen zu treffen. Schon im laufenden Schuljahr ist durch die Fortsetzung der ‚Deckelung’ von Lehrerstellen für den gemeinsamen Unterricht (GU), bei weiterhin steigenden absoluten GU-Zahlen, eine teilweise dramatische Unterausstattung entstanden. Senat und Parlament haben dies zur Kenntnis genommen, ohne zu handeln. Der AK Gem fordert, dass zum Schuljahr 2012/13 eine sofortige, dem Bedarf im GU entsprechende Aufstockung der Ressourcen erfolgt und die ‚Deckelung’ aufgehoben wird. Die sonderpädagogischen Ressourcen müssen nachweisbar in der allgemeinen Schule ankommen.

Der AK Gem empfiehlt, dass in der Überarbeitung der Senatsvorlage stärker als bislang die UN-Behindertenrechtskonvention in ihren Zielen und Begründungen dargestellt wird, auch unter Einbeziehung der zwischenzeitlich erfolgten Stellungnahmen der Monitoringstelle der Bundesregierung (Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin) und der Deutschen Unesco-Kommission Inklusion [2] . Inklusion ist ein Weg zur Vermeidung von Diskriminierung, Absonderung und Chancenungleichheit, der nicht isoliert, sondern in seinen Verknüpfungen zu anderen Entwicklungen im Bildungsbereich und anderer Lebensbereiche von Menschen mit Behinderungen und Benachteiligungen gesehen werden muss.

Der AK Gem hält die in der bisherigen Senatsvorlage enthaltene Konzentration auf die allgemeine Schule für wichtig, fordert jedoch eine gleichzeitige Einbeziehung der Frühförderung/des Vorschulbereichs mit seiner ‚Schnittstelle’ zur Grundschule, der Jugendhilfe, des Schulpsychologischen Dienstes und der beruflichen Bildung. Es wird empfohlen, nach Verabschiedung des Konzepts entsprechende spezielle fachliche Arbeitsgruppen einzurichten, die möglichst rasch Umsetzungsvorschläge vorlegen.

Der AK Gem hält es für erforderlich, dass nicht zuletzt wegen der in der Öffentlichkeit zuweilen geäußerten Befürchtung, Inklusion könne als ‚Sparmaßnahme’ missbraucht oder ‚zum Nulltarif’ umgesetzt werden, eine transparente umfassende – über die Darstellung von Personalkosten hinausgehende – Analyse bisheriger Kosten für das Berliner Doppelsystem (Förderschulen und gemeinsamer Unterricht) vorgelegt wird. Das schließt die Kosten der Bezirke für den Betrieb und Erhalt von Förderschulen und für die Beförderung behinderter Schüler/innen ebenso ein wie die Kosten für die Qualifizierung von Lehrkräften, Schulleitungen und anderem Personal.

Der Berliner Senat hat sehr spät realisiert, dass Inklusion nicht als top-down-Strategie, sondern als ein Prozess zu organisieren ist, der die Partizipation zahlreicher Akteure als ein genuines Element von Inklusion versteht. Insofern begrüßt der AK Gem, dass in den sog. ‚Konsultationen’ – notwendigerweise auch kontroverse – Gespräche über einzelne Ziele und Schritte möglich waren. Auch nach der vorgesehenen Überarbeitung durch Parlament und Regierung ist Partizipation auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungssystem erforderlich. Daher wird empfohlen, neben dem geplanten fachlichen Beirat eine transparente Umsetzung des Inklusionskonzeptes durch einen öffentlichen Diskurs nachhaltig zu organisieren (z.B. Forum). Außerdem hält der AK Gem bezirkliche Steuerungsgruppen zur Umsetzung der Inklusion für notwendig, die über den Schulbereich hinausgehen und u.a. die bezirklichen Schulträger, den Schulpsychologischen Dienst, die Jugendhilfe, den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, die geplanten BUZ und Vertreter der vorschulischen und der beruflichen Bildung einbeziehen.


[1] Die in unserer Stellungnahme von März 2011 unter Punkt 6 monierte falsche Berechnung der Ausstattung in der Sekundarstufe (vgl. im Senatsbericht unter 4.2) ist durch SenBJW inzwischen korrigiert worden. Es bleibt aber bei unserem Einwand gegen die generelle Absenkung in der Sekundarstufe, da es nötig ist, die mit einer Vielzahl von besonderen Lern- und Verhaltensproblemen belasteten ISS und die noch zu entwickelnde zusätzliche Förderung des begleiteten Übergangs Schule – Beruf und des praktischen Lernens angemessen auszustatten.

[2] Vgl.: Deutsches Institut für Menschenrechte: Stellungnahme zum Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung anlässlich der Anhörung im Deutschen Bundestag am 17. Oktober 2011: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/uploads/tx_commerce/stellungnahme_zum_nationalen_aktionsplan_der_bundesregierung_17_10_2011.pdf

Deutsche Unesco -Kommission: Inklusive Bildung in Deutschland stärken. Resolution der 71. Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission, Berlin, 24. Juni 2011: http://www.unesco.de/reshv71-1.html

Stellungnahme des AK Gem zum Senatsplan: „Gesamtkonzept ‚Inklusive Schule’. Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“: Zustimmung und Kritik

Verabschiedet in der Sitzung des AK Gem am 01.03.2011

Der AK Gem begrüßt es, dass der Berliner Senat seinen durch Beschluss des Abgeordnetenhauses eingeforderten Plan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) im Bereich Bildung endlich vorgelegt hat. Dieser Plan ist in vielen Punkten zustimmungsfähig, bei anderen muss deutlich nachgebessert werden. Der AK Gem setzt auf eine öffentliche Diskussion unter Einbeziehung aller Beteiligter, um den Weg zu einem inklusiven Berliner Schulsystem zügig zu erreichen.

Wir nehmen zu zentralen Punkten des Senatsplans wie folgt Stellung:

  1. Die UN-BRK argumentiert ausdrücklich menschenrechtlich, wenn sie das Recht des Kindes auf inklusive Bildung in der allgemeinen Schule hervorhebt . Daher sind die Bundesländer verpflichtet, ihre Schulgesetze entsprechend zu ändern – auch der Senat plant dies. Dennoch kritisiert der AK Gem, dass der Berliner Senat sich der konservativen Rechtsauffassung anschließt, Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf hätten (noch) kein unmittelbar einklagbares Recht auf Inklusion. Völker- und Verfassungsrechtler wie Riedel, Poscher/Langer/Rux, Platter und der Leiter der Monitoringstelle des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Aichele, sehen dies anders – deren Rechtsauffassungen werden nicht einmal erörtert. [1] Um so wichtiger ist es, dass Senat und Parlament umgehend das Schulgesetz anpassen.
  1. Der AK Gem begrüßt die kritische Aufarbeitung der seit Jahren steigenden allgemeinen Förderquote in Berlin und die extrem unterschiedlichen sonderpädagogischen Förderquoten zwischen den Bezirken , auch bei sozial vergleichbaren Strukturen. Die vorgeschlagene Umsteuerung der personellen Ressourcen und die Orientierung an der gesamten Schülerschaft ist daher der richtige Weg. Auch die Berücksichtigung sozialer Faktoren bei der Verteilung an die Bezirke wird begrüßt. Die vorgesehene Differenzierung für die Förderschwerpunkte Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache (LES) (3,5% / 4,5% / 5,5%) sollte allerdings nach unten wie nach oben deutlicher ausfallen, um sozial besonders belastete Bezirke besser auszustatten.
  1. Als eine weitere Schlussfolgerung aus den weder sozial noch medizinisch oder diagnostisch begründbaren Bezirksdifferenzen sieht der Senat vor, die (noch verbleibende) Diagnostik zu zentralisieren . Die geplante Zentrale (mit rd. 45 Stellen, vgl. 3.6.1) mit Sonderpädagogen, die ausschließlich diagnostizieren, ist für die notwendige Sicherung gemeinsamer und transparenter Standards der Diagnostik nicht zwingend erforderlich. Für die bezirksübergreifende Entwicklung und Sicherung der begrüßenswerten Standards (vgl. 3.6.1) würden zwei Stellen für die jeweiligen Förderschwerpunkte (je eine Stelle Sonderpädagogik und allgemeine Pädagogik) ausreichen. Die übrige Diagnostik könnte auch in den geplanten bezirklichen Beratungs- und Unterstützungszentren erfolgen. Die zu Recht angestrebte Interessenneutralität wäre damit deutlich besser als gegenwärtig gewährleistet. Dabei ist sicherzustellen, dass sowohl in der zentralen Diagnostik für Standardsicherung als auch in den bezirklichen Beratungs- und Unterstützungszentren Teams aus erfahrenen Sonderpädagogen und solchen der allgemeinen Schule gebildet werden.
  1. Begrüßt wird, dass die Sonderpädagogen-Stellen für LES in den allgemeinen Schulen verankert werden. Außerdem beendet der Senat mit einer gemeinsamen sonderpädagogischen Ressourcenplanung die ungerechte „Deckelung“ der Ausstattung für den gemeinsamen Unterricht. Das Festhalten an dem bisherigen Ausstattungsfaktor im Bereich LES mit 2,5 h (Grundschule) bzw. 3,0 h (Sekundarstufe) pro (rechnerischem) Förderfall ist jedoch zu gering. Der AK Gem plädiert für eine Anhebung auf 3,5 h, die dann auch in der Einzelschule bzw. Klasse „ankommen“ muss.
  1. In der Senatsvorlage wird (vgl. 4.2) für die Ausstattung LES in der Sekundarstufe mit durchschnittlich 3,5% LES-Kinder ein geringerer Ansatz als in der Grundschule (4,5%) angenommen. Das wird an keiner Stelle begründet, sondern erscheint nur in der Beispielrechnung für die Ausstattung einer Integrierten Sekundarstufe (ISS). Soweit hier kein Versehen vorliegt, ist diese Absenkung keinesfalls akzeptabel. In der Sekundarstufe ist der Förderbedarf im Bereich Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache keinesfalls geringer als in der Grundschule.
  1. Die an die allgemeinen Schülerzahlen (und soziale Faktoren) und nicht mehr an Feststellungsdiagnostik gebundene neue Berechnungsart für die Ausstattung im Bereich LES schafft für die Landes- und die Bezirksebene Klarheit und Fairness. Die Beispiele der Weitergabe an die Einzelschulen, wie sie in 4.2 dargestellt sind, enthalten jedoch vor allem für die Sekundarstufe einen grundsätzlichen Denkfehler : Der Bezirk erhält nicht nur für die Grundschüler, sondern auch für alle Sekundarschüler eine auf die gesamten Schülerinnen und Schüler bezogene Förderquote (in der Grundschule 4,5%, das muss auch für die Sekundarstufe gelten, siehe Punkt 5,). In dieser Schülerzahl sind auch alle Gymnasiasten enthalten. Da LES-Ressourcen kaum an die Gymnasien gehen [2] , stehen die Mittel für die übrigen Schulen – also ISS und Gemeinschaftsschulen zu. Einem Bezirk, in dem 50% der Jugendlichen ab Klasse 7 das Gymnasium besuchen, stehen also bezogen auf die Schülerzahl in den ISS/Gemeinschaftsschulen nicht 4,5%, sondern 9% zur Verfügung. Denn sie übernehmen die sonderpädagogische Förderung im Bereich LES für den gesamten Bezirk. Selbst bei dem Senatsfaktor 3,0 h pro Förderkind LES ergäben sich dann doppelt so viele VZE Sonderpädagogik für die beispielhaft genannte vierzügige ISS. Würde nicht so verfahren, hätte der Bezirk rund 50% der erhaltenen Ressource nicht weitergegeben – und die Integrierten Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen zu wenig Unterstützung. [3]
  1. Der Senat will für die Bereiche Lernen und Sprache weiterhin Sonderschulen pro Bezirk vorhalten. Kinder in diesen Förderschulen leben weit überwiegend in sozial belasteten Familien (78% aller Berliner Förderschüler sind aus Familien mit staatlichen Transferleistungen!). Mit dem Argument des „Elternwahlrechts“ die Aufrechterhaltung von Förderschulen pro Bezirk zu planen, ist daher höchst fragwürdig. Während es bei der Strukturreform der Sekundarstufe in Berlin (aus gutem Grund) kein „Elternwahlrecht“ auf Aufrechterhaltung von Realschulen und Hauptschulen gab, soll dies für Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gelten. Die UN-BRK spricht jedoch nicht vom Elternwahlrecht, sondern vom Recht des Kindes auf inklusive Bildung in Grund- und Sekundarschulen. Die Förderschulen Lernen und Sprache sollten deshalb generell jahrgangsweise keine neuen Schüler/innen mehr aufnehmen und mittelfristig auslaufen, während das Personal in die allgemeinen Schulen integriert wird. Dann könnte zugleich landesweit auf die gesamte aufwändige Feststellungsdiagnostik in den Förderschwerpunkten LES zugunsten verstärkter schulinterner Förderdiagnostik verzichtet werden.
  1. Der AK Gem sieht im Konzept, für die Förderschwerpunkte geistige und körperliche Entwicklung, Hören und Sehen allgemeine Schwerpunktschulen – aller Schulformen, auch des Gymnasiums – in den Bezirken aufzubauen und dafür die personellen und sächlichen Ausstattungen bereit zu stellen, die Absicht, den gemeinsamen Unterricht auch mit Schülerinnen und Schülern dieser Behinderungen auszubauen. Die hier vermutete Steigerung inklusiver Bildung um 10% innerhalb von vier Jahren ist allerdings äußerst restriktiv. Selbstverständlich kann das Konzept von Schwerpunktschulen nicht bedeuten, dass alle anderen Schulen vom Anspruch auf Inklusion dieser Förderschwerpunkte ausgenommen sind; dies wird in der Senatsvorlage ebenfalls betont (vgl. 3.3.3). Der Aufbau von Schwerpunktschulen kann nur ein Zwischenschritt beim kontinuierlichen Ausbau der allgemeinen Schulen zu inklusiven Schulen sein. Dies gilt insbesondere für die nach Einzugsbereichen organisierten Grundschulen; wohnortnahe Beschulung ist daher auch für die Kinder mit oben genannten Förderschwerpunkten anzustreben.
  1. Inklusion kann nicht am Ende der Sekundarstufe I der allgemeinen Schule aufhören. Es fehlt in der Senatsvorlage ein Konzept zur Umsetzung der Inklusion in der Sekundarstufe II und in der beruflichen Bildung . Der AK Gem fordert eine zeitnahe Erarbeitung entsprechender Konzepte.
  1. Der AK Gem begrüßt die Einrichtung von pro Bezirk je einem unabhängigen Beratungs- und Unterstützungszentrum (BuZ) ohne Schüler und eigenen Unterricht. Sie sind außerordentlich wichtig für die bezirkliche Begleitung der Inklusion von Anfang an (d.h. einschließlich der Frühförderung). Diese neuen interdisziplinären Einrichtungen (ohne Unterricht) sollten auch als Ombudsstellen und als Antragsstellen (für Anträge im Sinne des SGB) bürgernah und niedrigschwellig eingerichtet werden. Wie unter Punkt 3 vorgeschlagen, sollte in den bezirklichen Beratungs- und Unterstützungszentren auch die Feststellungsdiagnostik für die Förderschwerpunkte geistige und körperliche Entwicklung, Hören und Sehen erfolgen. Generell sollten die bezirklichen Ressourcen für gesundheitliche, entwicklungsbezogene und unterrichtsbezogene Förderung unterschiedlicher Kostenträger besser aufeinander bezogen werden. Um dies zu erreichen, könnten die BuZ eine koordinierende Aufgabe übernehmen.
  1. Der konsequente Ausbau inklusiver Bildung verlangt eine Steigerung der Kompetenzen im Umgang mit Heterogenität, sowohl bei allgemeinen wie bei Sonderpädagogen. Zentrales Instrument ist die Ausweitung inklusionsbezogener Fortbildung für allgemeine und sonderpädagogische Lehrkräfte auf einzelschulischer, bezirklicher und Landesebene. Da an Förderschulen nur 38% der Lehrkräfte sonderpädagogisch aus- oder weitergebildet sind (vgl. 8.4.2), müssen für die inklusive Schule auch mehr Sonderpädagogen ausgebildet werden. Auch sollte Sonderpädagogik in allen Lehrämtern als Zweitfach studiert werden können, wie es zurzeit nur für das Berufsschullehramt möglich ist. Nicht zuletzt unterstützt der AK Gem die Wiederaufnahme eines Weiterbildungsstudienganges Inklusion.
  1. Die UN-BRK zielt nicht zuletzt auf die gleichberechtigte Partizipation aller Akteure , insbesondere auch der Kinder mit Behinderungen und ihrer Familien. Das muss auch für die Umsetzung der Inklusion in Berlin gelten. Der AK Gem fordert den Berliner Senat auf, öffentlicher als bislang und kontinuierlich mit allen Beteiligten den Prozess inklusiver Bildung mit all seinen Voraussetzungen und Herausforderungen zu diskutieren und für Inklusion zu werben. Er sollte einen Inklusionsrat schaffen, in dem alle Akteure und Betroffenen vertreten sind, der diese Diskussionen aufgreifen und produktive Anregungen für die Entwicklung geben kann.

[1] Vgl. Aichele (2010): Stellungsnahme der Monitoring-Stelle zur UN-BRK; www.institut-fuer-menschenrechte.de.- Platter (2010) (Parlamentarischer Beratungsdienst Landtag Brandenburg): Rechtsfragen zur Implementation der UN-BRK.- Riedel (2010): Zur Wirkung der internationalen Konvention…www.gemeinsam-leben-nrw.de.- Poscher/Langer/Rux (2008): Gutachten zum völkerrechtlichen Recht auf Bildung und seiner innerstaatlichen Umsetzung. GEW Bund.

[2] 2009/10 betrug die Förderquote Sek I insgesamt 6,9%, Sek I ohne Gymnasien 11,2%, nur Gymnasien 0,2%. Quelle: Blickpunkt Schule, Schj. 2009/10, eigene Berechnung.

[3] Da in den Klassen 5-6 landesweit knapp 10% grundständige Gymnasien besuchen, gilt reduziert das gleiche Problem: Die vom Land dem Bezirk zugewiesenen Mittel für 4,5% LES-Kinder sind in Kl. 5-6 der Grundschulen um 10% zu erhöhen, sonst bleiben die Mittel beim Bezirk. Sie könnten allerdings auch für Härtefälle verwendet werden – in jedem Fall müssen die Mittel im Bezirk in ihrer Verwendung ausgewiesen werden.

Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an privaten Schulen Berlins

Privatschulen und sonderpädagogische Förderung Berlin; 25. 6. p-l

1. Die Un-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die seit 2009 innerstaatliches Recht durch Bundestag und Bundesrat einstimmig übernommen wurde, ist damit auch im Land Berlin gültig. In ihr wird in Art. 24 für das gesamte – auch privat organisierte – Bildungssystem das Recht auf „voll inclusion at all levels“ des Bildungssystems verankert. Sie gilt damit auch in den Privatschulen. Im Land Berlin scheint jedoch wenig transparent und vielen nicht klar zu sein, wie die gegenwärtige Finanzierung dieses Bereichs im privaten Schulwesen ist und ob die Privatschulen sich der inklusiven/integrativen Aufgabe überhaupt stellen. Anlass für den AK Gem, diese Frage zu diskutieren, war ein Konflikt um die ev. Gemeinschaftsschule Zentrum, zu deren schriftlichem Profil auch die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gehört. Sie hat bei SenBWF beantragt, dass sie für die Aufnahme von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (Schülern mit SEN [1] personenbezogene zusätzliche sonderpädagogische Lehrerstunden erhält entsprechend den Verfahren im öff. Schulwesen und auch in öff. Gemeinschaftsschulen. SenBWF hat dies abgelehnt mit der Begründung, allen Privatschulen flössen entsprechende Mittel zu entsprechend der Ausstattung in den öffentlichen Schulen (vgl. unten). Ganz offensichtlich war der beantragenden Schule wie vielen anderen Lehrkräften bei freien Schulträgern nicht klar, dass in ihren Zuweisungen auch Mittel für sonderpädagogische Förd4erung enthalten sind. Der AK Gem nimmt diesen Konflikt zum Anlass, sich mit der derzeitigen Finanzierung der Sonderschulen bzw. mit der Integration in den Berliner Privatschulen auseinander zu setzen und neue, inklusionsförderliche und transparente Finanzierungsformen vorzuschlagen. Die erste Fassung dieses Papiers wurde im Juni 2009 im AK Gem mit Vertretern freier Träger diskutiert; Anregungen aus dieser Diskussion fließen in die Vorlage ein.

2. Daten für das Land Berlin [2] :

Tab. 1: Schüler/innen mit SEN in Privatschulen

03/04

07/08

Schüler/innen mit SEN in privaten Sonderschulen

551 [3] (davon Jungen 60,5%

649 [4] (davon Jungen 60,2%)

Schüler/innen mit SEN in privaten allg. Schulen (Integration)

39 (davon Jungen 69,2%)

66 (davon Jungen 57,6%)

Summe: Schüler/innen mit SEN in allen privaten Schulen

590

715

Schulformen, die die integrierten Schüler/innen mit SEN aufnehmen

39 Schüler/innen: 22 in GS [5] , 5 in Gy, 12 in IGS

66 Schüler/innen: 56 in GS, 1 in HS, 2 in RS, 2 in Gy, 5 in IGS

Anteil Schüler/innen mit SEN an allen privaten Schülern

Bezug GS 1,8% Sek I 1,3% Sek II 0,0%

Bezug GS 1,4% Sek I 1,3% Sek II 0,0%

Anteil Schüler/innen mit SEN an allen öff. Schulen (zum Vergleich)

Bezug GS 3,9% Sek I 3,9% Sek II 0,1%

Bezug GS 3,4% Sek I 4,2% Sek II 0,1%

Im Schuljahr 2008/09 bestanden 110 private schulische Einrichtungen, darunter 9 Sonderschulen, mit zusammen 24.721 Schülerinnen und Schülern. Hinzuweisen ist, dass die Finanzierung der privaten Sonderschulen und Sonderklassen automatisch erfolgt. Ein anerkannter privater Träger hat extra eine Sonderschule gegründet (und genehmigt erhalten), und die Mittel anschließend für Integration verwendet. Diese Finanzierungsweise widerspricht dem Anspruch auf Inklusion!

Von den 66 Schüler/innen mit SEN, die 2007/08 integrativ in privaten Schulen unterrichtet wurden [6] , davon 56 in Grundschulen, sind folgende Förderschwerpunkte vertreten:

Tab. 2: Förderschwerpunkte der integrierten Schüler/innen in privaten Schulen 2007/08

Förderschwerpunkt

N

In v. H.

Lernen

17

25,7

Sprache

12

18,2

Em-soz

12

18,2

Geistige Entwicklung

9 [7]

13,6

Schwerhörig

3

4,6

Sehbehindert

3

4,6

Körperliche Entwicklung

8

12,1

Kranke

1

1,5

Autismus

1

1,5

Summe

66

100,0

In der Regel findet das sonderpädagogische Feststellungsvefahren wie für das öffentliche Schulwesen durch die bezirklich festgelegten Verfahren, d.h. die zuständige staatliche Schulaufsicht statt. Eine Ausnahme scheint der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu sein, der beispielsweise für die Waldorfschule des Bezirks die Feststellung der Waldorfschule (die Sonderpädagogenstellen hat) selbst überlässt. Der AK Gem hat jedoch keinen systematischen Überblick, wie in jedem Bezirk verfahren wird.

3. Finanzierung . Die Finanzierung der sonderpädagogischen Förderung in privaten Sonderschulen entspricht der generellen Finanzierung [8] . Für integrierte Kinder mit SEN gibt es keine individuelle gesonderte Finanzierung. Vielmehr teilt SenBWF folgendes derzeitiges Verfahren mit: „Die Bezuschussung der Schulen in freier Trägerschaft ist in § 101 des Schulgesetzes sowie der dazu erlassenen Ersatzzuschussverordnung [9] geregelt. Bemessungsgrundlage für die Zuschüsse sind die vergleichbaren Personalkosten (Personalkosten entsprechender öffentlicher Schulen). Vergleichbare Personalkosten sind nach § 3 der ESZV die durchschnittlichen Personalkosten je Schulart für Lehrkräfte und sonstige schulische Mitarbeiter/innen. Die vergleichbaren Personalkosten werden unabhängig von der tatsächlichen Ausstattung und Organisation der privaten Schule nach dem in der ESZV festgelegten pauschalierten Berechnungsverfahren ermittelt. Danach wird der Lehrkräftebedarf der privaten Schule auf Grundlage der Relationen Schüler/in je Lehrkraft an der entsprechenden öffentlichen Schulart (Schüler-Lehrer-Relation) ermittelt. Der Bedarf für sonderpädagogische Förderung , Deutsch als Fremdsprache und andere über die Grundausstattung hinausgehende Zusatzausstattungen an den öffentlichen Schulen fließt also in die Schüler-Lehrer-Relation mit ein. Die so ermittelte Schüler-Lehrer-Relation je Schulart wird für alle Schulen in freier Trägerschaft zugrunde gelegt, unabhängig davon , ob in gleichem Umfang wie an den öffentlichen Schulen entsprechender Stundenbedarf für z.B. sonderpädagogische Fördermaßnahmen entsteht.“

Daraus resultiert: Die sonderpädagogische Zusatzausstattung in öff. Grundschulen und Sekundarstufen-I-Schulen, die aus dem Anteil von 3,4% bzw. 4.2% bzw. 0,1% Anteil von Schüler/innen mit SEN in GS, Sek I und Sek II resultiert (2008/09), wird auch für Schulen in freier Trägerschaft zugrunde gelegt, obwohl diese nur Anteile von 1,4%, 1,3% bzw. 0,0% SEN in GS, Sek I und Sek II haben. Die privaten Schulen integrieren also nicht nur deutlich seltener, sondern profitieren finanziell davon: Wenn sie weniger Schüler/innen mit SEN als im öff. Schulwesen aufnehmen, hat dies keinerlei finanzielle Auswirkungen. Steigende Integrationsquoten im öff. Schulwesen führen sogar zu besseren Ausstattungen im privaten Schulwesen , weil dadurch die Schüler-Lehrer-Relation als Bezugspunkt („vergleichbare Personalkosten“) günstiger wird. Oder noch deutlicher: Je weniger die privaten Schulen integrieren und diese Aufgabe dem öffentlichen Berliner Schulwesen überlassen, desto mehr profitieren sie finanziell. Das gilt nicht nur generell, sondern für jede einzelne private Schule.

Bei SenBWF scheint es keine Neigung zu geben, dieses intransparente und ungerechte, inklusionsfeindliche Finanzierungssystem zu ändern. Diese Haltung muss jedoch spätestens dann, wenn die sonderpädagogische Förderung in einem Haushaltsansatz und durch Poolbildung organisiert wird, geändert werden.

Offenkundig ist jedoch vielen freien Trägern und ihren Lehrkräften der vorliegende Skandal nicht bewusst , denn in der Personalmittelzuweisung wird nur die insgesamt errechnete Schüler-Lehrer-Relation mitgeteilt, nicht aber eine Aufteilung nach Pflichtunterrichtsstunden einerseits, zusätzlichem Aufwand (im öff. Schulwesen der Schulform) für Sprachförderung, Sonderpädagogische Förderung, Teilungsstunden, Ermäßigungstatbestände. Selbst der für 28 Schulen zuständigen Verantwortlichen der Ev. Schulstiftung ist zwar bekannt, dass diese Faktoren enthalten sind, nicht aber die Ausdifferenzierung.

Zugleich können einzelne private Schulen, wie beispielsweise die Ev. Gemeinschaftsschule Zentrum, die sich bewusst als inklusive Schulen verstehen und auch Kinder mit SEN (z.B. Kinder mit Down-Syndrom) aufnehmen, keine gesonderten (zusätzlichen) sonderpädagogischen Mittel von SenBWF erhalten. Sie müssten diese erforderlichen Mittel von ihrem Träger einfordern; wenn dieser die pauschalen Gesamtmittel anders einsetzt, ist dies bislang sein Recht. Der Staat fordert nicht ein, dass eine Zweckbestimmung erfolgt für sonderpädagogische Ressourcen – und er hat auch kein Interesse an einer Kontrolle. Er vergibt an die freien Träger Mittel, die er dringend für die dafür gedachten Zwecke im öffentlichen Schulwesen bräuchte!

4. Schlussfolgerung . Das gegenwärtige Verfahren ist ungerecht, inklusionshinderlich und intransparent.

  • Der erst vor wenigen Jahren mit den freien Trägern ausgehandelte pauschale Zuweisungsmodus ist intransparent . Niemand weiß, wie viele Mittel für sonderpädagogische Förderung in den pauschalen Zuweisungspersonalmitteln enthalten ist. Während die öff. Schulen im Einzelnen nachweisen müssen, dass sie ein Kind mit SEN aufnehmen, um die entsprechenden zusätzlichen Stunden zu erhalten, werden die Privatschulen pauschal versorgt – ohne nachweisen zu müssen, dass sie die Mittel dafür auch verwenden.
  • Das Verfahren bevorzugt zum Einen die Schulen in freier Trägerschaft generell, weil diese weniger Integration verwirklichen, jedoch die Ausstattung wie im öff. Schulwesen erhalten.
  • Bei steigender Integration in öff. Schulen steigen analog die finanziellen Zuschüsse der privaten Träger, ohne dass bei ihnen Integration zunehmen muss. Nicht-Integration wird belohnt !
  • Zugleich sind jene Schulen in freier Trägerschaft, die sich bewusst als inklusive Schulen mit der Integration von SEN profilieren, benachteiligt: Sie können ja nicht auf die allgemeinen Mittel jener privaten Schulen hilfsweise zugreifen, die sich der Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf verweigern.

Es muss daher eine neue Form der Finanzierung gefunden werden , die zielgenauer ist und eine angemessene Ausstattung für jene Schulen in freier Trägerschaft ermöglicht, die SEN aufnehmen, und zugleich die implizite Bevorzugung der Schulen in privater Trägerschaft überwindet.

Es wird vorgeschlagen:

  1. Bei der allg. Berechnung der Schüler-Lehrer-Relation im öff. Schulwesen pro Schulform werden die Sonderpädagogischen Ressourcen gesondert ausgewiesen [10] .
  2. Schulen in freier Trägerschaft erhalten sonderpädagogische Mittel nur , soweit sie Schüler/innen mit SEN aufnehmen. Das Verfahren zur Feststellung von SEN bleibt wie bislang in öff. Hand (bezirkliche Schulaufsicht) bzw. wird dorthin zurück verlagert.
  3. Für die Schulanfangsphase , in der für die Förderschwerpunkte Lernen, em-soz und Sprache grundsätzlich keine Feststellung erfolgt , wird auch für private Schulen eine pauschale Ressource entsprechend ihrer Schülerzahl gerechnet. Über den Umfang sollte ein sozialer Index angewandt werden. [11]
  4. Sollte Berlin generell für die Förderbereiche Lernen, em-soz und Sprache LES auf Feststellungsdiagnostik landesweit und für alle Pflichtschuljahre verzichten, wird ein analoges Verfahren angewandt wie unter 3. Die Feststellung für die übrigen Förderschwerpunkte bleibt erhalten.
  5. Erhalten freie Schulträger durch dieses Verfahren sonderpädagogische Ressourcen, unterliegen sie den gleichen Verfahren der Rechenschaftslegung , die auch im öff. Schulwesen eingeführt werden sollten (vgl. AK Gem paper vom Februar 2009.

Handlungsnotwendigkeit ist in jedem Fall geboten, zumal der Anspruch der inklusiven Entwicklung im Sinne der UN-Konvention sich nicht nur auf das öffentliche Schulwesen, sondern auf das gesamte Schulwesen richtet. Die gegenwärtige Berliner Regelung behindert die Verwirklichung.

[1] SEN = students with special educational needs; internationale Bezeichnung für Schüler/innen mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf

[2] Quelle AH Berlin, Drucksache 16/12811 Kl. Anfrage des Abg. Özcan Mutlu

[3] Darunter N = 312 in Schulen/Klassen für geistige Entwicklung, 164 in der Grundstufe weiterer Sonderschulen, 75 in der Sek. I weiterer Sonderschulen, 0 in Sek II.

[4] Darunter N = 355 in Schulen/ Klassen für geistige Entwicklung (SG-Klassen), 202 in der Grundstufe weiterer Sonderschulen, 92 in der Sek I weiterer Sonderschulen, 0 in Sek II. Daten für 2008/09: 369 in Schulen/ Klassen für geistige Entwicklung, 205 in der Grundstufe weiterer Sonderschulen, 93 in der Sek I weiterer Sonderschulen, keine in Sek II.

[5] GS = Grundschule; HS = Hauptschule; RS = Realschule; Gy = Gymnasium; IGS = Integrierte Gesamtschule

[6] Von Vertretern der freien Träger wird argumentiert, dass es viele Kinder gebe, die zwar Förderbedarf hätten, aber nicht offiziell diagnostiziert und gemeldet würden und damit auch nicht in der amtlichen Statistik auftauchten, weil das ja ohnehin keine (Ressourcen-)Folgen habe. Das Argument kann sich nur gegen die jeweiligen Schulträger, nicht jedoch gegen den Staat richten, da – siehe unter 3 – diese ja entsprechende Mittel erhalten.

[7] Darunter 7 Mädchen.

[8] Schulhelferstunden . Nach SenBWF sind in 12/2008 außerdem für die vier privaten Sonderpädagogischen Förderzentren Stephanus-Schule/Pankow, August-Hermann-Francke-Schule/Spandau, Parzival-Schule/Steglitz-Zehlendorf und Sancta-Maria-Schule/Steglitz-Zehlendorf zusammen 57 Schulhelferstunden bewilligt worden.

[9] Verordnung über Zuschüsse für Ersatzschulen (Ersatzzuschussverordnung ESZV) vom 19. 11. 2004, geändert durch Verordnung vom 23. 10. 2007.

[10] Ein analoges Verfahren könnte auch für Sprachförderung u.a. Zusatzausstattungen vorgenommen werden, ist hier jedoch nicht das Thema.

[11] Der Ak Gem schlägt für LES rd. 4,5% landesweit vor; als Sozialfaktoren könnte die Zahl der von der Lehrmittelzuzahlung befreiten Schüler gewählt werden. Dann könnte der Faktor zwischen 2% und 7% schwanken.

Forderungen zur Umsetzung von Inklusion im Berliner Bildungsbereich

Der AK GEM hält es für dringend erforderlich, dass im Land Berlin die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) in allen Lebensbereichen zügig umgesetzt wird. Für den Bildungssektor halten wir folgende zehn Punkte für zentral und fordern den Senat von Berlin auf, sie in seine Planung aufzunehmen.

  • Inklusionskonzept . Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist seit März 2009 innerstaatliches und damit auch Berliner Recht. Der AK GEM fordert den rot-roten Senat auf, zügig ein Inklusionskonzept vorzulegen und in seine Planung die Perspektive für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen auf die inklusive, gemeinsame Unterrichtung „auf allen Ebenen des Bildungssystems“ aufzunehmen. Inklusion muss gemäß der UN-Konvention im Berliner Schulgesetz verankert werden. Inklusionsfeindliche Paragraphen (z.B. § 37.3) [1] müssen beseitigt werden. Sämtliche Verordnungen und die Rahmenlehrpläne müssen auf Inklusivität überprüft und ggf. entsprechend verändert werden. Inklusion ist Aufgabe des vorschulischen Bereichs und Aufgabe aller Schulformen und Schulen, also aller Grundschulen, Integrierten Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulen. Es ist für uns selbstverständlich, dass die inklusive Förderung eine sachangemessene Ausstattung erhält.
  • Partizipation aller Beteiligten. Inklusive Politik bedeutet zugleich, dass alle Akteure in diesen Prozess einbezogen und wichtige Fragen öffentlich erörtert werden. Das ist derzeit nicht erkennbar: Die Planung der sonderpädagogischen Förderung für die nächsten Jahre wird derzeit ausschließlich verwaltungsintern erarbeitet. So lässt sich kein öffentlicher Lernprozess gestalten, zu dem auch Bewusstseinsbildung gehört. Der AK GEM fordert, dass sich der Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung nicht nur selbst an solchen Diskussionen beteiligt, sondern seine Verwaltung zu Einzelfragen öffentliche Gespräche organisiert, möglichst in Abstimmung mit dem Behindertenbeauftragten. Auch in den Bezirken sind entsprechende öffentliche Diskussionen über die sozialräumlich nötige Umsetzung inklusiver Schulangebote erforderlich. Darüber hinaus sollten Eltern, Lehrer und Schüler ausführlich mit einer Broschüre über die neuen Angebote und Regelungen informiert werden, die auch in häufig vertretenen Migrantensprachen übersetzt wird.
  • Sozialräumliche Inklusion . Inklusion als ein Konzept für eine Schule für alle wird – neben integrativen pädagogischen Maßnahmen – vor allem auch durch strukturelle Maßnahme im Bildungsbereich realisiert, die schrittweise und mit einer klaren Zeitperspektive dafür sorgen, dass aussondernde Institutionen zugunsten inklusiver abgeschafft werden. Integrationsklassen in einzelnen Schulen genügen dabei dem Inklusionsanspruch nicht mehr ausreichend. Vielmehr ist ein für das ganze Land Berlin umzusetzendes, sozialräumliches Gesamtkonzept nötig. Dazu gehört, dass auch der Schulpsychologische Dienst, die Schulärzte, die Jugendhilfe, der Regionale Sozialpädagogische Dienst und weitere regionale Beratungs- und Unterstützungsinstitutionen in das Gesamtkonzept aufgenommen werden.
  • Klare Zielmarken . Das Vorhaben zur Realisierung von schulischer Inklusion muss eine klare Planung von indikatorengestützten Zielen (transparente quantitative und qualitative Benchmarks) enthalten. Diese enthalten auch klare Aussagen, bis zu welchem Zeitpunkt Sonderschulen auslaufen.
  • Resourcenzuweisung . Die Ressourcen zur Realisierung inklusiver schulischer Fördermaßnahmen sollen für die Förderbereiche Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache nicht mehr nach einem individuellen Feststellungsverfahren den Schulen zugeteilt werden, sondern bezogen auf die gesamte Schülerzahl. Dabei soll ein Sozialfaktor berücksichtigt werden, der sich aus dem Sozialatlas oder dem Umfang der Lernmittelbefreiung ergibt. Dieses Prinzip kann auf ganze Bezirke und innerhalb der Bezirke auf die einzelnen Schulen angewandt werden. Es sollte davon ausgegangen werden, dass die Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen, emotional-soziale Entwicklung und Sprache rund 5% aller Schülerinnen und Schüler (Kl. 1-10) ausmachen. Die für die genannten drei Förderschwerpunkte nötigen Stellen für Sonderpädagogen sollen in den allgemein bildenden Schulen angesiedelt werden.

Für die übrigen Förderschwerpunkte sollte von 2% ausgegangen und an der individuellen Feststellung des Förderbedarfs festgehalten werden. Auch für diese ist davon auszugehen, dass die Verteilung in den Bezirken unterschiedlich sein wird. Für die Gewichtung der Stellenzuweisung an die Bezirke könnten die Daten des Gesundheitsatlas herangezogen werden. Außerdem muss das unterstützende Fachpersonal für die ergänzende Betreuung innerhalb des Unterrichts und für Angebote im Ganztag gesichert werden.

  • Beratungs- und Koordinierungszentren pro Bezirk. Für die Förderschwerpunkte Sehen, Hören, körperliche und motorische Entwicklung und geistige Entwicklung sollte pro Bezirk ein gemeinsames Beratungs- und Koordinierungszentrum eingerichtet werden, in dem die bezirklichen Stellen für die allgemein bildenden Schulen dieser Förderschwerpunkte geführt werden, ggf. spezifische Lernmaterialien ausgeliehen und gewartet werden und die Beratung der Schulen, Eltern und Kinder/Jugendlichen angeboten wird. Auch diese neuen Einrichtungen legen regelmäßige Rechenschaftsberichte vor. Diese Zentren sollen keinen Unterricht anbieten, da sonst Beratung und Koordinierung von inklusionsbehindernden Eigeninteressen bestimmt werden könnten.
  • Rechenschaftslegung . Die Vergabe von Ressourcen ist an eine Rechenschaftslegung zu koppeln, die die schulinternen Maßnahmen und die Ergebnisse der Förderung der Schülerinnen und Schüler ausweist. Dabei sollen Misserfolge und Erfolge schulintern dokumentiert werden. Schulen, die bezogen auf individuelle Erwartungswerte überdurchschnittliche Erfolge zeigen, sollten besondere Erfolgsprämien erhalten (in Form konsumtiver Mittel). Um diese Lernentwicklungen und Fördererfolge dokumentieren zu können, bedarf es sowohl valider Qualitätskriterien als auch einer kontinuierlichen Dokumentation (und einer Neufassung der Prozessdiagnostik im Sinne ganzheitlicher und individueller Entwicklungen).
  • Allgemeine Schulentwicklungsplanung . In der Schulentwicklungsplanung des Landes und der Bezirke und im Schulprogramm der allgemeinen Schulen ist Inklusion explizit zu berücksichtigen. Der AK GEM empfiehlt, in die Steuergruppen der Schulen Sonderpädagogen einzubeziehen.
  • Zentren für unterstützende Pädagogik . Der AK GEM schlägt vor, in allen allgemeinen Schulen Zentren für unterstützende Pädagogik (ZUP) einzurichten, in denen die Sonderpädagogen, die Erzieher oder Sozialarbeiter/-pädagogen des Ganztagsbereichs und ggf. weiteres Personal (etwa für die Begabtenförderung und die Schulstation bzw. dem Schülerclub) zugeordnet sind.
  • Kompetenzentwicklung des Personals . Der Paradigmenwechsel zur Inklusion verlangt von allen an Inklusion beteiligten Institutionen und Personengruppen eine Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen. Das gilt für Erzieherinnen im Kindergarten und im Ganztag, für Schulärzte, Schulpsychologen, Schulleitungen, Sozialarbeiter/-pädagogen im Ganztag, Sonderpädagogen und Lehrkräften der allgemein bildenden und beruflichen Schulen. Alle sollten sich gemeinsam fortbilden. Daher muss der inklusive Umwandlungsprozess in den nächsten Jahren begleitet werden von verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen. Der Senat ist gefordert, ein schlüssiges Gesamtkonzept für alle drei Phasen der Lehrerbildung vorzulegen. Der AK GEM hält folgende Maßnahmen für dringend erforderlich:
  • Die Lehrerbildung in allen drei Phasen muss auf Inklusion ausgerichtet werden. In die Ausbildung aller Lehrämter an allen Berliner Ausbildungsuniversitäten muss ein Pflichtmodul „Integrationspädagogik“ bzw. „Inklusion und Heterogenität“ aufgenommen werden. Derzeit ist dies nur noch im lehramtsbezogenem Bachelor der TU gegeben (für Berufsschullehrer und das Fach Arbeitslehre). Entsprechendes gilt für die Erzieher- und Sozialarbeiter/-pädagogenausbildung.
  • In der Ausbildung der Sonderpädagogen sollte mindestens eines der drei Praktika und der Vorbereitungsdienst mindestens zur Hälfte in einer integrativen Klasse durchgeführt werden.
  • Ein Zweitfach Sonderpädagogik mit den Schwerpunkten Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache soll in die bisherigen allgemeinen Lehrämter eingeführt werden. Das erhöht die Flexibilität sonderpädagogischer Förderung in den allgemeinen Schulen.
  • In den Vorbereitungsdienst aller Lehrämter müssen die Fragen der Inklusion aufgenommen werden.
  • In der 3. Phase (Berufseinstieg) bzw. in der allgemeinen Lehrerfortbildung sollten Inklusions-Module angeboten werden, die auf Landesebene vorgehalten und von den Bezirken bzw. den Einzelschulen abgerufen werden können. Lehrkräfte, die erstmals in Integrationsklassen unterrichten, sollten verpflichtet werden, solche Angebote wahrzunehmen.
  • Es ist ein Fortbildungsschwerpunkt Inklusion mit Grundlagen-Workshops und Theorie-Praxis-Seminaren als Teil der Angebote zum Lernen in heterogenen Schülergruppen zu entwickeln.
  • Parallel sollte wieder ein berufsbegleitendes, zertifiziertes und durch Ermäßigungsstunden finanzierte Weiterbildungsangebot Integration/Inklusion eingeführt werden. Dadurch würde der hohe Bedarf sonderpädagogischer Kompetenz besser abgedeckt werden.
  • Die Schulen müssen im inklusiven Schulentwicklungsprozess unterstützt werden.

Der AK GEM fordert die Öffentlichkeit, alle Parteien, den Behindertenbeauftragten des Landes und alle Betroffenen und involvierten Institutionen auf, mit dem AK GEM auf eine zügige Verwirklichung eines inklusiven Schulsystems in Berlin hinzuwirken. Der Senat ist aufgefordert, engagiert tätig zu werden.

[1] In § 37.3 (letzter Satz) wird der Schulaufsicht im Konfliktfall zugebilligt, Kinder mit Förderbedarf gegen den Willen der Erziehungsberechtigten in Sonderschulen zu überweisen.

Kritische Stellungnahme des AK Gem zur neuen Sonderpädagogikverordnung vom 23. Juni 2009

Beschlossen in der Sitzung vom 29. 9. 2009

  1. Der Zeitpunkt des neuen Erlasses der Sonderpädagogikverordnung (SopädVO) vor Beschluss über die Schulstrukturreform der Sekundarstufe im Herbst 2009 ist unverständlich. Denn eine Reihe von Formulierungen macht nur im Rahmen des alten, also bald veränderten Schulgesetzes Sinn (z.B. in § 22 ff Verweise auf die Schulformen). Außerdem hat der Senat erklärt – zuletzt im September 2009 gegenüber dem Abgeordnetenhaus –, dass es einen umfassenden Bericht zur Entwicklung der Sonderpädagogik in Berlin, vor allem unter dem Aspekt der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte Behinderter, bis April 2010 geben wird. Die neue SopädVO muss auf Grundlage der Novellierung des Schulgesetzes und der Un-Konvention erneut und umfassend geändert werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass mit dem Erlass zum jetzigen Zeitpunkt Fakten geschaffen werden sollen, die auf Jahre Bestand haben sollen – zum Nachteil integrativer Entwicklungen.
  2. Die Verordnung ist leider von inklusivem Denken weit entfernt. Vielmehr wird die Rolle und zentrale Zuständigkeit der Sonderschulen (Förderzentren mit Schülern) weiter festgeschrieben und darüber hinaus werden neue Sonderlerngruppen geschaffen bzw. aufrechterhalten: „temporäre Lerngruppen“ mit mehrjähriger Dauer, „sonderpädagogische Kleinklassen“, „integrative Klassen“ mit einer übergroßen Zahl von Förderkindern. Zumindest sprachlich ist nicht ausgeschlossen (§ 4.2), dass auch Sonderschulen „integrative Klassen“, „sonderpädagogische Kleinklassen“ und „temporäre Lerngruppen“ führen. Der AK Gem sieht darin den Versuch, sich in immer neuen Varianten um eine wirklich inklusive pädagogische Arbeit zu drücken und das alte, aber längst widerlegte Denken – behinderungshomogene Lerngruppen seien besonders fördereffektiv – aufrechtzuerhalten und auch in die Regelschule aufzunehmen.
  3. Völlig unverständlich ist, warum die Grundschulen gezwungen werden sollen (§ 4.4), dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der 6. Klasse nicht von ihren „eigenen“ Sonderpädagogen und Klassenlehrern für die weitere Schullaufbahn beraten werden sollen, sondern von dem „zuständigen Förderzentrum“. Die Gefahr, dass ein Förderzentrum (mit eigenen Klassen in der Sekundarstufe) in eigenem Interesse an der Erhaltung und Füllung ihrer Klasse berät, wird durch die Verpflichtung der Beratung institutionell eröffnet; elterliches Misstrauen wird provoziert. Es hätte genügt, festzulegen, dass eine Beratung in Verantwortung der Klassenlehrer erfolgt, die sich entsprechende Fachkompetenz in eigener Verantwortung heranziehen können. Suggeriert wird Lehrern und Eltern im Übrigen, dass die Grundschule nicht für alle ihre Kinder„zuständig“ sei, sondern eine Sonderschule für Kinder mit Förderbedarf in der Grundschule.
  4. „Temporäre Lerngruppen“ waren ursprünglich als kurzfristige besondere Fördermaßnahme konzipiert (vgl. Handreichung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport vom Juli 2006). Nun sind sie (§ 33.3) offenbar mindestens von Jahresdauer, denn ein Wechsel in die Regelklassen ist nur „am Ende des Schuljahres“ vorgesehen. „Temporären“ Lerngruppen können bis zu drei Jahren ausgedehnt werden, sind also nichts anderes als die alten Diagnose-Förder-Klassen. Sondergruppen dieser Dauer sind nicht inklusiv (und auch ihr Lerneffekt ist strittig).
  5. Unverständlich ist auch die Systematik etwa bei der Festlegung der Förderziele der einzelnen Förderschwerpunkte. Wenn z.B. bei „Lernen“ auf die „Integration ins Arbeitsleben“ Wert gelegt wird (ein Lernziel, was für alle Schülerinnen und Schüler zu gelten hat), dies jedoch bei „emotionale und soziale Entwicklung“ oder bei „Sprache nicht erwähnt wird, dann stecken dahinter entweder überholte Klischees über Förderkinder bestimmter Schwerpunkte oder es liegt eine beliebige Auswahl von Ziel-Topoi vor, die auch völlig anders hätte gestaltet werden können. Hinzu kommt: Da die Förderung immer stärker auf je individuelle Entwicklungsziele (individueller Förderplan) bezogen ist, auch innerhalb der Förderschwerpunkte, machen Versuche, zwischen den Förderschwerpunkten in den Lernzielen zu differenzieren und sie von allgemeinen Lernzielen aller Schülerinnen und Schüler abzugrenzen, nur in ganz speziellen Fragen Sinn (Gebärdensprache; Brailleschrift u.ä.).
  6. Der § 17 erlaubt zusätzlichen Unterricht in Einzelfällen; unklar ist hier, ob es sich um Einzelunterricht handelt und woher die Ressource stammt. Der AK Gem begrüßt die Möglichkeit zeitlich zusätzlicher Förderung, lehnt jedoch den Begriff „Unterricht“ ab, weil dies ggf. weitere Kleingruppenbildung eröffnet und nur Personen diese Förderung machen können, die selbständig „Unterricht“ erteilen dürfen. Außerdem müsste geklärt werden, woher die zusätzlich nötigen Personalmittel stammen. Ein Hinweis: Ein schuleigenes Konzept „Schüler helfen Schülern“ (als Tutoren) ist mit der Formulierung in § 17 unvereinbar.
  7. Der AK Gem kritisiert, dass der Senat die Zahl von Integrationsklassen pro Schule immer noch begrenzt (bzw. vom Wohlwollen der Schulaufsicht abhängig macht, § 20.4), auch wenn eine einzelne Schule darüber hinaus gehen will. Aus unserer Sicht ist überhaupt keine Regelung nötig, da dies die einzelnen Schulen selbst regeln können.
  8. In § 20.2 wird festgelegt, dass Kinder mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung nur in Schulen aufgenommen werden dürfen, die in jedem Schuljahr solche Kinder aufnehmen. Auch müssen pro Klasse zwei bis drei Kinder mit diesem Schwerpunkt aufgenommen werden. Beide Festlegungen („erfolgt in Schulen, die“,…„werden zwei oder drei Schülerinnen und Schüler…“) sind dogmatisch und schließen aus, dass ein einzelnes Kind mit diesem Förderschwerpunkt in eine Integrationsklasse aufgenommen wird (auch mit Kinder anderer Förderschwerpunkte und Überschneidungen), aber auch, dass sich Schulen neu und schrittweise auf solche Kinder einlässt. Es genügte festzulegen, dass maximal drei Kinder mit Förderschwerpunkt geistige Behinderung in eine Klasse aufgenommen werden.
  9. Integration in der Berufsschule ist weiterhin nur zielgleich möglich (§ 21.2). Der AK Gem kritisiert diese Einschränkung; unter Aspekten von Inklusion ist diese Einschränkung aufzuheben.
  10. In § 32 werden die zu erstellenden sonderpädagogischen Gutachten an „behinderungsspezifische Vorgeschichten“ gebunden. Das ist deutlich enger und einseitiger gefasst als der in der Diagnostik inzwischen übliche Begriff der „Kind-Umfeld-Diagnostik“. Der AK Gem empfiehlt dringend, diese breite, auch das soziale Umfeld einbeziehende Formulierung aufzunehmen.
  11. In der bisher geltenden Fassung der SopädVO (alt § 31) konnten Anträge auf Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs für die Förderschwerpunkte „Lernen“ und „emotionale und soziale Entwicklung“ ausdrücklich erst nach einer Beobachtungs- und Förderphase im zweiten Schuljahr der Schulanfangsphase gestellt werden. Der AK Gem kritisiert, dass diese pädagogisch sinnvolle Festlegung in der neuen Fassung (§ 31) teilweise zurück genommen wird. Die Formulierungen „in der Regel“ und „es sei denn, dass vorher eindeutige Merkmale festgestellt werden, die nahelegen, dass ein entsprechender sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt“ öffnen einer frühzeitiger Etikettierung von Kindern mit Lernentwicklungsverzögerungen Tür und Tor und stehen im Widerspruch zu den integrationspädagogischen Aufgaben der Schulanfangsphase.
  12. In der neuen SopädVO ist unverständlicherweise die Regelung über die Aufnahme oder Nichtaufnahme in den gemeinsamen Unterricht oder in eine Sonderschule (§ 34) wörtlich aus dem Schulgesetz kopiert. In § 34 entscheidet bei Konfliktfällen die Schulaufsicht, d.h. der Staat über den Lernort. Mit anderen Worten: Das kann auch eine Entscheidung gegen gemeinsamen Unterricht und gegen das Recht des Kindes auf Inklusion sein. Das widerspricht der UN-Konvention, die schließlich schon im Dezember 2008 in Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde und seit März 2009 geltendes Recht ist. Der AK Gem fordert schon lange, dass diese Passage des Schulgesetzes entsprechend der UN-Konvention verändert wird zugunsten der Rechte von Kindern auf inklusive Erziehung. Warum der Senat von Berlin im Sommer 2009 in seiner SopädVO, trotz sonstiger inklusiver Absichtserklärungen zur Umsetzung der Un-Konvention, einen überholten Gesetzestext wiederholt, kann nur als Versuch gewertet werden, Inklusionshindernisse schulaufsichtlich aufrecht zu erhalten.

Der AK Gem fordert den Senat auf, umgehend nach Verabschiedung des Schulgesetzes die vorliegende Sonderpädagogische Verordnung zurückzuziehen und entsprechend zu überarbeiten.

Stellungnahme zum TOP 4 des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie des AH von Berlin am 18. 6. 2009 zur „Entwicklung der Inklusion in der Berliner Schule nach der Unterzeichnung des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“

Stellungnahme zum TOP 4 des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie des AH von Berlin am 18. 6. 2009 zur „Entwicklung der Inklusion in der Berliner Schule nach der Unterzeichnung des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“

  1. Die UN-Konvention stellt einen Paradigmenwechsel im gesellschaftlichen Umgang mit Behinderten dar, nämlich von der „charity“ (Fürsorge) zu „civil rights“ (Menschenrechten) auf allen Ebenen des Alltags (Wohnen, Arbeit, Bildung, Gesundheit, Verkehr, Stadt- und Raumplanung usw.). Dadurch, dass Bundestag und alle Bundesländer der UN-Konvention zugestimmt haben, wird der Art. 3.3 GG mit Leben gefüllt. Das stellt einen enormen Fortschritt für das gemeinschaftliche Leben dar.
  1. Das gilt auch für den pädagogischen Bereich . Nach der Phase des „Gewährens“ gemeinsamer Erziehung (GU) in Kindergarten, Schule und Ausbildung (nämlich im Rahmen festgelegter Mittel) formuliert die UN-Konvention das Recht auf „inclusive education at all levels“ des Bildungssystems. Für den Schulunterricht bedeutet dies, dass der Staat / die Schulaufsicht kein Kind mit Behinderung (bzw. mit sonderpädagogischem Förderbedarf, special educational needs) aus der Regelschule abweisen darf, auch nicht, wenn organisatorische, finanzielle oder bauliche Bedenken bestehen. Solche Hindernisse müssen dann beseitigt werden. Der § 37.3 BerlSchG, der Möglichkeiten der Entscheidung gegen integrative Elternwünsche vorsieht, ist daher umgehend zu ändern.
  1. Die Entwicklung einer inklusiven Schule durch die Un-Konvention trifft zugleich auf Entwicklungen der allgemeinen Schulpädagogik, individualisierte Lernwege und kooperatives Lernen in den Mittelpunkt von Schule zu rücken – für alle, auch in den Sekundarstufen aller Schulformen. Behindertenintegration ist also nur ein weiteres, für Individualisierung und Gemeinschaftlichkeit förderliches Element einer künftig lerneffektiveren, zugleich sozial integrativen Schule. Wir sind historisch an einem erfreulichen Wendepunkt der allgemeinen Schule und zugleich bei einer engeren Verbindung von Sonder- und allgemeiner Pädagogik.
  1. Die Umsetzung der UN-Konvention für Berlin verlangt aus meiner Sicht folgendes:
      1. Nötig ist zeitnahes Gesamtkonzept , einschließlich der Festlegung von quantitativen benchmarks (Beispiel Schleswig-Holstein), wann flächendeckend der GU bei den einzelnen Förderschwerpunkten erreicht werden soll und wie die Umsetzung erfolgen soll. Der Beginn der Umsetzung sollte mit dem Schj. 09/10 erfolgen. Auch auf Bezirksebene sollte unter Einbeziehung der Schulträger und der demografischen Entwicklungsperspektive jeweils ein benachmark-bezogener Umsetzungsplan vorgelegt werden.
      2. Die Sonderschulen für die Bereiche Lernen und Sprache (und Beo-Klassen für den Bereich soziale und emotionale Entwicklung ) (LES) ganz (und nicht nur in den Klassen 1-2) sollten jahrgangsweise auslaufen ssen, da in diese Schulen besonders Kinder aus sozial belasteten Familien abgeschoben werden; die vorhandenen Ressourcen sollten in die allgemeinen Schulen verlagert werden. Auszugehen ist landesweit in Berlin von 4,5% für den Bereich LES. Die Vorhaltung innerhalb der allgemeinen Schulen ermöglicht, dass diese Größe nur eine Planungsgröße ist und schulintern deutlich mehr Kinder, auch zeitweilig, gefördert werden können, wie dies in Finnland erfolgt. Wenn so verfahren wird, kann auf vorab-Feststellungsdiagnostik zugunsten kontinuierlicher Förderdiagnostik, Förderplänen und Rechenschaftslegung in der Schule verzichtet werden.
      3. Inklusion/GU ist schon jetzt Aufgabe der allgemeinen Schule, sie sollte jedoch auch im Schulprogramm jeder Schule aufgenommen werden – als Teil der Maßnahmen zur individuellen Förderung generell. Soweit feste Stellen in der Schule sind, sollte ein/e Sonderpädagoe/-pädagogin Teil der Steuerungsgruppe bzw. der Schulleitung werden.
      4. Inklusion bedeutet mehr als gemeinsamer Unterricht. Daher ist eine schulinterne Vernetzung in der Ganztagsschule – auch räumlich und möglichst auch organisatorisch – mit den Sozialarbeitern bzw. Erziehern und Schulhelfern, außerschulisch mit der Jugendhilfe und mit anderen Unterstützungseinrichtungen herzustellen. Am günstigsten ist es, wenn schulintern alle Förder- und Unterstützungspersonen in einem Unterstützungscenter verbunden sind.
      5. Für die Kinder mit seh-, hör-, geistigen und körperlichen/motorischen Beeinträchtigungen (Anteil in Berlin bei 1,5-2%) sollten künftig pro Bezirk ein gemeinsames Beratungs- und Diagnostikzentrum eingerichtet werden. Hier könnten außerdem nicht nur Sonderpädagogen dieser Behinderungsarten, sondern auch die Stellen der Therapeuten und die Ansprechpartner der Kinder- und Jugendgesundheit gebündelt werden. Ganzheitliche Förderung verlangt integrative Konzepte. Der Begriff „Kompetenzzentrum“ sollte nur verwendet werden, wenn es nicht um eine neuerliche Umbenennung der Sonderschulen (von Sonderschulen zu Förderschulen zu Förderzentren zu Kompetenzzentren) geht, die den Inhalt gleich lässt (nämlich gesonderten Unterricht von behinderungsbezogenen Lerngruppen). Von Beratungs- und Kompetenzzentren sollte nur gesprochen werden, wenn es tatsächlich nicht um Sodnerschulbetrieb geht.
      6. Das Berufsbild sowohl der Regelschullehrkräfte wie der Sonderpädagogen und der Sozialarbeiter (in der GTS) ändert sich durch Inklusion: Es wird mehr Teamarbeit, mehr Individualisierung, mehr verbindliche Abstimmungen am Arbeitsplatz allgemeine Schule und mehr Rechenschaftslegung verlangt. Darauf sind die Fortbildung und die Ausbildung auszurichten. Dringend erforderlich sind in der allgemeinen Schule mehr Kompetenzen im Bereich Lernförderung, emotionale und soziale Entwicklung / Verhaltensauffälligkeiten und Sprachförderung. Deshalb ist die Einführung eines Zweitfaches Sonderpädagogik mit diesen Schwerpunkten bei L1-L4 dringend (in L 5 Berufl. Bildung besteht es schon).
      7. Die Finanzierung der Sonderpädagogik im Land Berlin muss integrationsförderlicher werden: Es muss ein Haushaltstitel für die Sonderpädagogik-Stellen (plus der weiteren, etwa für Therapeuten, die zu erhalten sind, und für Schulhelfer usw.) geschaffen werden. Die Beförderungskosten für beeinträchtigte Schüler/innen muss vom Schulortprinzip zum Wohnortprinzip umgestellt werden, um die Beschulung wohnortnaher Unterrichtung zu fördern. Die Einsparungen der 8bezirklichen) Schulträger durch die räumliche Verlagerung der sonderpädagogischen und therapeutischen Förderung in die allgemeinen Schulen sollten pro Bezirk vom heutigen Ist-Stand der Betriebskosten (und Beförderungskosten) aus gerechnet und in andere bezirkliche Bereiche von Bildung und Kultur (Beispiel: Musikschule in Pankow) eingesetzt werden.
      8. Inklusion bedeutet auch mehr Transparenz der Förderart und -ergebnisse. Deshalb ist die schulinterne Rechenschaftslegung ebenso einzuführen wie eine kontinuierliche Berichterstattung zur Entwicklung des GU auf Bezirks- und Landesebene (zweijährig). Das schließt auch die Dokumentation pro Schule und Jahr der Schulabschlüsse der Schüler/innen nach Förderschwerpunkt ein. Diese Daten können für das festgelegte Monitoring der Umsetzung der UN-Konvention, die das Institut für Menschenrechte im Auftrag der Budnesregierung durchführt, verwendet werden.

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  1. Inklusion schließt ein, dass nicht nur der Behindertenbeauftragte des Landes, sondern auch die Berliner NGOs zur Umsetzung der UN-Konvention in die konkreten Umsetzungspläneeinbezogen werden, die sich seit Jahren für Integration einsetzen. Inklusion und GU ist nicht mehr und nicht nur eine Angelegenheit von Schulpolitik und Schulverwaltung, auch nicht nur von Sonderpädagogen, sondern auch von Regional- und Gesellschaftspolitik, um die Selbst- und Mitbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu stärken.