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Stellungnahme des AK Gem zur Drs 16/2135 Mitteilung zur Kenntnisnahme “Weiterentwicklung der Berliner Schulstruktur” v. 13. 2. 2009 im Rahmen der Anhörung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie am 23. April 2009

1. Der AK Gem äußerst sich zur geplanten Schulreform ausschließlich unter dem Aspekt, ob sie die Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher bzw. jener mit sonderpädagogischem Förderbedarf in notwendiger Weise fördert. Grundsätzlich entwickelt sich Gemeinsame Erziehung am besten in nichtauslesenden Klassen und Schulen. Im Sekundarbereich wären das Gesamtschulen oder Gemeinschaftsschulen. Unabhängig davon haben – laut Schulgesetz – auch alle heutigen und die geplanten neuen Schulformen die Verpflichtung, die Inklusion aller Kinder als ihre Aufgabe anzusehen.

2. Der AK Gem hat am 5. 11. 2009 zu den damaligen “Eckpunkten für die Erarbeitung eines Vorschlags zur Weiterentwicklung der Beliner Schulstruktur” des Senators Zöllner Stellung genommen und in diesem Zusammenhang die explizite Aufnahme der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen bzw. mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Prozess der Schulreform der Sekundarstufe I angemahnt.

3. Insofern begrüßt es der AK Gem, dass die integrative Aufgabe nun ausdrücklich in der Drs 16/2135 aufgegriffen wird und der schulgesetzlich bestehende Vorrang der Gemeinsamen Erziehung bestätigt wird. Zu begrüßen ist es, dass der Senat, in Bezug auf die innerstaatliche Übernahme der UN-Konvention über die Rechte Behinderter [1] “schulstukturelle Überlegungen der sonderpädagogischen Förderung” (Abschnitt 2.5) für erforderlich hält.

4. Dem AK Gem genügt aber der Hinweis auf künftige schulstrukturelle Überlegungen nicht. Die in Drs 16/2135 genannte zutreffende Begründung für die Überwindung der Hauptschule, insbesondere der Hinweist auf die negativen Folgen der Hauptschule als ungünstigem Lern- und Entwicklungs-Milieu mit stark sozial ausgelesener Schülerschaft, trifft für die Sonderschule (insbesondere mit den Schwerpunkten Lernen, Verhalten und Sprache) verschärft zu. Daher hat der AK Gem dem Senat – den Parteien und den Bezirken zur Kenntnis – Ende Februar 2009 einen Vorschlag unterbreitet, wie im Rahmen bestehender Personalkosten und mittelfristig insbesondere für die Bezirke deutlich kostensparend eine generelle und jahrgangsweise Verlagerung der sonderpädagogischen Förderung in den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und emotionale und soziale Entwicklung (Verhalten) in die Regelschulen machbar wäre. Der AK Gem hält es für erforderlich, dass solch eine Perspektive in das veränderte Schulgesetz aufgenommen und sie bezirksweise umgesetzt wird.

5. Der Ak Gem hat im November 2008 vorgeschlagen, in den Sekundarschulen die sonderpädagogische Förderung, zusammen mit der Sprachförderung, der innerschulischen Lernhilfe und der Talentförderung durch die Einrichtung von sog. Unterstützungs-Centers organisatorisch zu stärken. Dieser Vorschlag ist bislang leider nicht aufgegriffen worden. Auch könnte dort die verbindliche Kooperation mit der Jugendhilfe verankert werden. Wir halten es für notwendig, dass der Ausbau der Gemeinsamen Erziehung auch organisatorisch und im jeweiligen Schulprogramm verankert wird.

6. Für alle Förderschwerpunkte müsste außerdem in Folge der Rechtswirksamkeit der UN-Konvention im Schulgesetz der sog. Haushaltsvorbehalt bzw. die Möglichkeit der Abweisung von Gemeinsamem Unterricht durch Schulleitungen gestrichen werden – sonst macht der Begriff der „integrativen Sekundarschulen“ keinen Sinn.

7. Zum Ausbau der Gemeinsamen Erziehung auch in der neuen Schulstruktur hält es der AK Gem für erforderlich, die räumlichen Rahmenbedingungen für Integration dadurch zu sichern, dass bei allen Umbauten (auch im Rahmen des Konjunkturprogramms und des Umbaus zu Ganztagsschulen) einerseits die Barrierefreiheit gewährleistet bzw. hergestellt wird (auch in Gymnasien), zum anderen insbesondere in den neuen “integrativen Sekundarschulen eine Raumzone eingerichtet wird, in der Sozialarbeiter, Sonderpädagogen und Jugendhilfe in Schulstation und Unterstützungs-Center attraktiv angesiedelt sind. In dieser Raumzoge für die Möglichkeit der Lernhilfe und der Talentförderung könnte hier eine Anlaufstelle liegen.

8. Der AK Gem begrüßt die Absicht, die Sekundarschulen als Ganztagsschulen einzurichten. Dabei sollten jeweils ein Ruheraum innerhalb der Jahrgangsbereiche als auch Möglichkeiten geschaffen werden, für ambulante Therapien (z.B. Sprachtherapie, Ergotherapie) einen Raum zur Verfügung zu stellen.

9. Der Gemeinsame Unterricht mit zieldifferent unterrichteten Schülerinnen und Schülern wird für alle Lehrkräfte erleichtert, wenn die Rahmenlehrpläne für die Förderschwerpunkte Lernen und geistige Entwicklung in die allgemeinen Rahmenlehrpläne integriert werden. Das wird allein schon durch die geplante Ausdehnung des praktischen Lernens (duales Lernen, Schülerfirmen, Ausbau Arbeitslehre usw.) nötig.

10. Gemeinsamer Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher muss eine Selbstverständlichkeit in allen Berliner Schulen aller Schulformen werden. Daher halten wir es für beklagenswert, dass die Pflichtlehrveranstaltung Integrationspädagogik , wie sie als Voraussetzung für das Lehramts-Staatsexamen seit 2000 erforderlich ist, im neuen gestuften lehramtsbezogenen Studium nur noch in der TU als Teil des (BA-)Studiums verbindlich ist. Das stellt einen klaren Rückschritt hinter bereits erreichte Standards der Lehrerbildung in Berlin dar. Darüber hinaus sollte, zur Verbreiterung sonderpädagogischer Kompetenz und eines flexibleren Lehrereinsatzes, Sonderpädagogik mit den Schwerpunkten Lernen und Verhalten auch in den Lehrämtern 1-4 als Nebenfach gewählt werden können. Bislang ist dies nur im Lehramt 5 (Berufsschullehrer) möglich.

11. Über diese Forderungen zum GU in der Sekundarstufe fordert der AK Gem, dass auch im Primarbereich und in der Berufsschule die Perspektive inklusiver sonderpädagogischen Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen weiter entwickelt und zeitnah umgesetzt wird.

[1] Un-Konvention, Art. 24: „States Parties shall ensure an inclusive education at all levels…Persons with disabilities can access an inclusive, qualitiy and free primary education and secondary education on an equal basis with others in the communities in with they live.” Die Vertragsstaaten gewährleisten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen…Menschen mit Behinderungen haben Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben.

Empirische Befunde zum Gemeinsamen Unterricht!

Irene Demmer-Dieckmann 18.11.2008 Ulf Preuss-Lausitz (beide Institut für Erziehungswissenschaft an der TU-Berlin)

Bildungspolitische Entscheidungen sind das eine, empirische Forschungsbefunde das andere. Zu welchen empirischen Ergebnissen sind internationale wie nationale Forschungen in den letzten 30 Jahren gekommen und welche Impulse geben sie für die Bildungspolitik?

Ergebnisse auf der Leistungsebene Untersucht wurde mehrfach die Frage, ob Kinder mit Förderbedarf im Gemeinsamen Unterricht (GU) ständig überfordert und nicht angemessen gefördert würden. Zahlreiche internationale wie nationale Leistungsvergleiche belegen übereinstimmend das Gegenteil: Behinderte, nicht nur lernbehinderte Kinder lernen in integrativen Settings deutlich mehr als in Sonderklassen und Sonderschulen (Bless 1995, Haeberlin u.a. 1990, Hildeschmidt/Sander 1996; Myklebust 2006; Tent u.a. 1991; Wocken 2007). Unterschiede in heterogenen Lerngruppen wirken sich gerade für schwächere Schülerinnen und Schüler leistungssteigernd aus, ein Befund, der sich auch bei PISA bestätigte. Die Leistungsentwicklung verhaltensauffälliger Schüler erfuhr im GU ebenfalls eine deutliche Stabilisierung und eine verbesserte Sozialprognose (Preuss-Lausitz 2005). Auch bei Schülern mit geistiger Behinderung konnten in der Primar- und Sekundarstufe I positive Leistungs- und Sozialentwicklungen nachgewiesen werden, teilweise in dramatischen Lernsprüngen, vereinzelt aber auch unterbrochen durch Phasen der Stagnation (Köbberling/Schley 2000; Maikowski/Podlesch 2002). Für die Förderschwerpunkte körperliche und motorische Entwicklung und Sinnesbehinderungen liegen bislang nur wenige Studien vor (das gilt für GU wie für Sonderschulen), die vor allem Interaktionsprozesse qualitativ beobachteten. Diesen positiven GU-Ergebnissen entsprechen zahlreiche Studien, die die kognitive und soziale Ineffizienz der Schule für Lernbehinderte belegen. Tent (1991) und jüngst Wocken (2007) weisen nach, dass die Intelligenz- und Leistungsentwicklung umso ungünstiger verläuft, je früher Schüler in Lernbehindertenschulen überwiesen werden; umso günstiger, je länger sie in Regelschulen unterrichtet werden (bei gleichem IQ und gleicher sozialer Herkunft). Seit Jahrzehnten wird immer wieder beschrieben, dass die Schule für Lernbehinderte eine Schule für Kinder von arbeitslosen, armen und oft kinderreichen Eltern ist, in der vor allem Jungen und (im Westen) Kinder mit Migrationshintergrund überrepräsentiert sind (Begemann 1970; Hildeschmidt/Sander 1996; Wocken 2007). Diese Kinder am Rande der Gesellschaft werden durch die schulische Aussonderung zusätzlich bestraft.

Schonraum als Schonraumfalle: Ein Systemeffekt Das kognitive und sozial anregungsreduzierte Entwicklungs- und Lernpotenzial ausgelesener Lerngruppen ist Hauptursache für die schlechten Ergebnisse, die zu „kognitiver Friedhofsruhe“ und didaktischem Reduktionismus führen kann (Wocken 2006). Diese Gefahr kann durch die Chancen kleinerer Klassen und durch spezialisierte Lehrkräfte kaum kompensiert werden. Aufgrund der empirischen Befunde müsste daher die Schule für Lernbehinderte schon längst – ähnlich wie die Hauptschule – durch integratives Lernen in allgemeinen Schulen ersetzt werden.

Behindern Behinderte die Nichtbehinderten? Manche Eltern sind oft vor Beginn des GU verunsichert und fürchten, dass behinderte Kinder die Leistungsentwicklung der nichtbehinderten beeinträchtigen könnten: Mehrere Studien belegen, dass dies nicht der Fall ist. Nichtbehinderte Kinder sind in der Primar- und in der Sekundarstufe I gleich gut wie in Klassen ohne GU, in einigen Studien erreichen sie sogar bessere Leistungen als in nichtintegrativen Klassen (Feyerer 1998; Preuss-Lausitz 2002; Wocken 1999). Auch besonders begabte Kinder (IQ >117) werden in ihrer kognitiven Entwicklung nicht behindert und in ihrer sozialen zusätzlich gefördert (Bless/Klaghofer 1991; Feyerer 1998).

Soziale Integration und Schulzufriedenheit Soziale Integration und Schulzufriedenheit sind zentrale Ziele des GU. Die Empirie zeigt nun erstaunlich hohe Zufriedenheitswerte von integrierten Förderkindern (Preuss-Lausitz 1997) und üblicherweise ein gutes Maß sozialer Integration (Voraussetzung: keine Sonderunterrichtung in einer dauerhaften Kleingruppe, Förderung im Klassenraum). Je länger die Phase des gemeinsamen Lernens dauert, umso besser sind sie integriert. Probleme gibt es – das ist wenig überraschend – bei der Integration von Kindern mit aggressivem Verhalten. Aggressive Kinder sind überall unbeliebt – hier sind gezielte pädagogische Interventionen nötig. Integrationsklassen fördern ein positives Klassenklima, weil insgesamt stärker auf individuelle Wünsche eingegangen wird. Durch den Umgang mit Verschiedenheit wird nachweislich Toleranz und Hilfsbereitschaft gefördert (Preuss-Lausitz 1998). Viele Kinder mit Lernerschwernissen fühlen sich im GU wohl. Aber die Pubertät ist auch im GU eine schwierige Phase. Pubertätsprobleme und Konflikte sind Anlässe für eine gemeinsame Suche nach Lösungen. Gegen Ende der Sekundarstufe werden sie in der Regel überwunden (Köbberling/Schley 2000).

Erfahrung fördert Akzeptanz der Eltern Wer keine Erfahrung mit dem GU hat, ist oft skeptisch. Wer Erfahrungen sammelt, ist zufrieden. Die Akzeptanz bei Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung ist groß und steigt mit der Dauer der integrativen Erfahrung (Preuss-Lausitz 1997).

Fazit Die empirische Forschung zeigt: Durch den Weg der Sonderbeschulung wird das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabefähigkeit von behinderten und sozial benachteiligten Kindern weniger erreicht als durch gemeinsame Erziehung. Eben deshalb ist Integration in der inklusiven allgemeinen Schule, mit entsprechend kompetentem Personal, für alle Förderkinder die richtige Perspektive – wie viele Staaten vormachen. Die Forschungsergebnisse sprechen eine klare Sprache und sollten bildungspolitisch stärker berücksichtigt werden, um durch integrative Beschulung mehr Bildungsgerechtigkeit und soziale Partizipation zu erreichen (Demmer-Dieckmann 2007; Preuss-Lausitz 2007). Der Rechtsanspruch auf gemeinsame Erziehung erhält durch die Forschung eine deutliche Bekräftigung.

Literaturverzeichnis Begemann, E. (1970): Die Schule der sozio-kulturell benachteiligten Schüler. Hannover: Schrödel. Bless, G. (1995): Zur Wirksamkeit der Integration. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt. Bless, G./Klaghofer, R. (1991): Begabte Schüler in Integrationsklassen. In: Z. f. Pädagogik (37) H. 2, S. 215-222. Demmer-Dieckmann, I. (2007): Bildungsarmut durch Selektion – Bildungsreichtum durch Integration. In: Oberwien, B./Prengel, A.: Recht auf Bildung – Zivilgesellschaftliche Stimmen zum Besuch von Vernor Muñoz in Deutschland. Opladen & Farmington Hills: Budrich, S. 153-162. Feyerer, E. (1998): Behindern Behinderte? Integrativer Unterricht in der Sekundarstufe I. Innsbruck/Wien: Studienverlag. Haeberlin U./Bless, G. /Moser, U. /Klaghofer, R. (1990): Integration der Lernbehinderten. Bern/Stuttgart. Haupt. Hildeschmidt, A./Sander, A. (1996): Zur Effizienz der Beschulung sogenannter Lernbehinderter in Sonderschulen. In: Eberwein, H. (Hrsg.): Handbuch Lernen und Lern-Behinderungen. Aneignungsprobleme – Neues Verständnis von Lernen – Integrationspädagogische Lösungsansätze. Weinheim/Basel: Beltz, S. 115–134. Köbberling, A./Schley, W. (2000): Sozialisation und Entwicklung in Integrationsklassen. Weinheim/München: Juventa. Maikowski, Rainer/Podlesch, Wolfgang (2002): Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung in Grundschulen und in der Sekundarstufe. In: Eberwein, H. (Hrsg.): Handbuch der Integrationspädagogik. Kinder mit und ohne Behinderung lernen gemeinsam. 6. Auflage. Weinheim/Basel: Beltz, S. 349-357. Myklebust, J.D. (2006): Clacc placement and competence attainment among students with spezial educational needs. In: British Journal of Special Education (33), No. 2, P. 60-69. Preuss-Lausitz, U. (1997): Erfahrungen fördert Akzeptanz. Elternmeinungen zur gemeinsamen Erziehung. In: Heyer, P./Preuss-Lausitz, U./Schöler, J.: „Behinderte sind doch Kinder wie wir!“ Gemeinsame Erziehung in einem neuen Bundesland. Berlin: Wissenschaft und Technik Verlag, S. 151-170. Preuss-Lausitz, U. (1998): Bewältigung von Vielfalt – Untersuchungen zu Transfereffekten gemeinsamer Erziehung. In: Hildeschmidt, A. / Schnell, I. (Hrsg.): Integrationspädagogik. Weinheim/München: Juventa, S. 223-240. Preuss-Lausitz, U. (2002): Integrationsforschung. Ansätze, Ergebnisse und Perspektiven. In: Eberwein, H. (Hrsg.): Handbuch der Integrationspädagogik. Kinder mit und ohne Behinderung lernen gemeinsam. 6. Auflage. Weinheim/Basel: Beltz, S. 458–470. Preuss-Lausitz, U. (Hrsg.)(2005): Verhaltensauffällige Kinder integrieren. Weinheim/Basel: Beltz. Preuss-Lausitz, U. (2007): Gerechtigkeit durch Integrationspädagogik. In: Fischer, D./Elsenbast, V. (Hrsg.): Zur Gerechtigkeit im Bildungswesen. Münster: Waxmann, S. 72-77. Tent, L./Witt, M./Zschoche-Lieberun, Chr./Bürger, W. (1991): Ist die Schule für Lernbehinderte überholt? In: Heilpädagogische Forschung (17), H. 1, 3-13. Wocken, H. (1999): Schulleistungen in heterogenen Lerngruppen. In: Eberwein, H.: Integrationspädagogik. Kinder mit und ohne Behinderung lernen gemeinsam. Weinheim/Basel: Beltz S. 315-320. Wocken, H. (2006): Kognitive Friedhofsruhe. In: Frankfurter Rundschau vom 11.7.2006, S. 27. Wocken, H. (2007): Fördert Förderschule? Eine empirische Rundreise durch Schulen für „optimale Förderung“. In: Demmer-Dieckmann, I./Textor, A. (Hrsg.): Integrationsforschung und Bildungspolitik im Dialog. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 35–59.

Stellungnahme des AK Gem zu den „Eckpunkten für die Erarbeitung eines Vorschlags zur Weiterentwicklung der Berliner Schulstruktur“ des Senators Zöllner

5. 11. 2008

Der AK Gem nimmt aus integrationspädagogischer Sicht zu den „Eckpunkten…“ wie folgt Stellung:

  1. Der AK Gem begrüßt es, dass die gegenwärtige Koalition bemüht ist, „die Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft zu verringern“ und so zu mehr Chancengleichheit und sozialem Zusammenhalt in der Gesellschaft beizutragen. Er teilt die Begründung für den Vorschlag, die Hauptschule aufzulösen. Die ungünstigen Lernmilieus in Hauptschulklassen behindern Schülerinnen und Schüler deutlich in ihren Lern- und Sozialentwicklungen. Diese Befunde sind durch die PISA-Analysen empirisch gut abgesichert.
  1. Diese Begründung gilt jedoch auch für die Sonderschulen, insbesondere für die Klassen und Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache. Diese Schulen sind noch deutlicher als die Hauptschulen ungünstige Lern- und Sozialmilieus. Das hat die einschlägige sonderpädagogische und integrationspädagogische internationale und nationale Forschung vielfach bestätigt. Dies kann auch durch die Bemühungen der Lehrkräfte nicht kompensiert werden. Es ist unverständlich, warum die auf die Hauptschule bezogenen Argumente nicht auch auf die Sonderschulen bezogen werden. Sonderschülerinnen und Sonderschüler stammen, wie alle Studien zeigen, überwiegend aus sozial belasteten Familien. Wenn es um Chancenungleichheit und deren Abbau geht, dürfen sie nicht vergessen werden.
  1. Sowohl in der grafischen Darstellung zur „Entwicklung der Schulstruktur“ als auch im Text der „Eckpunkte“ werden weder die Sonderschulen noch die Integration behinderter Kinder und Jugendlicher in die allgemeinen Sekundarschulen auch nur erwähnt. Die Vorgabe des Berliner Schulgesetzes, dass nämlich der „Vorrang“ der Integration – in allen Schulstufen – gelte, wird nicht diskutiert in Bezug auf die vorgeschlagene neue Schulstruktur. Das ist inakzeptabel. Der AK Gem verweist nicht zuletzt darauf, dass mit der Übernahme der UN-Übereinkunft über die Rechte der Menschen mit Behinderungen, die demnächst in Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird und innerstaatliche Rechtskraft erhält, „full inclusion“ aller Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen gefordert wird.
  1. Der AK Gem fordert, dass ein Konzept für die Beendigung separater Erziehung und Unterrichtung in Berlin entwickelt wird und in einem ersten Schritt die Schule für Lernbehinderte jahrgangsweise ausläuft, indem keine neuen Schülerinnen und Schüler aufgenommen werden und die vorhandenen sonderpädagogischen Kompetenzen entsprechend in alle allgemeinen Schulen (Grundschulen und alle Sekundarschularten) verlagert werden. Entsprechend sollte auch mit den höchst problematischen Sonderklassen für verhaltensschwierige Schülerinnen und Schüler und mit den Schulen für den Förderschwerpunkt Sprache verfahren werden.
  1. Der AK Gem hält zur Unterstützung der allgemeinen Schulen als integrative bzw. inklusive Schulen die Einrichtung von Unterstützungs-Centers in jeder Schule für erforderlich. Dort sollte die individuelle Förderung sowohl im sonderpädagogischen, im sprachlichen und im Bereich der Talentförderung organisatorisch und räumlich gebündelt werden. Sie werden der Schulleitung direkt zugeordnet. Der AK Gem hat dafür einen konkreten und weitgehend kostenneutralen Finanzierungsvorschlag entwickelt.
  1. Der AK Gem hält in Übereinstimmung mit der internationalen Schulentwicklung grundsätzlich eine gemeinsame Schule für die pädagogisch und sozialpolitisch richtige Perspektive, auch im Sekundarbereich. Ein neues dreigliedriges Schulsystem – „Regionalschule“, Gymnasium, Sonderschulen – löst weder die sozialen noch die pädagogischen Probleme. Sollte ernsthaft von einem „zweigliedrigen“ System gesprochen werden, müsste zum einen die sonderpädagogische Förderung vollständig integriert werden. Zum anderen müssten die Voraussetzungen, in eine der beiden „Säulen“ einzutreten bzw. aus diesen nicht mehr ausgesondert zu werden, auch tatsächlich gleichwertig sein. Das bedeutet: Gleiche Aufnahmekriterien; keine Abschulungsmaßnahmen (weder aus Grund- und „Regionalschulen“ in Sonderschulen noch aus Gymnasien in „Regionalschulen“); Einrichtungen individueller Förderung sowohl leistungsstarker als auch leistungsschwacher und behinderter Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen, ebenso wie in allen Schulformen gezielte Hilfen bei Verhaltensproblemen und neben der Einbeziehung von Sonderpädagogen die verbindliche Vernetzung mit der Jugendhilfe.

Ressourcen für den Gemeinsamen Unterricht. Ein Modellvorschlag zur kostenneutralen Umsetzung gemeinsamer Unterrichtung und Erziehung im ganzen Land Berlin

Vorbemerkung

Nach der innerstaatlichen Gesetzeskraft der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und dem darin enthaltenen Art. 24, der die „full inclusion“ der Schüler/innen mit Behinderungen innerhalb der allgemeinen Schulen verlangt, und angesichts des im Berliner Schulgesetz (§ 4 Abs. 3) formulierten Vorrangs des gemeinsamen Unterrichts (GU) wird im Folgenden geprüft, ob mit den gegenwärtigen personellen Ressourcen des Landes Berlin im Bereich der sonderpädagogischen Förderung eine flächendeckende, also landesweite Umsetzung des GU unter Verzicht auf die Sonderschulen im Bereich Lernen, emotionale und soziale Entwicklung [2] und Sprache finanziell möglich ist. Über die weiteren finanziellen Konsequenzen insbesondere für die (bezirklichen) Schulträger im Bereich der kostenintensiven Schülerbeförderung (die bei wohnortnaher Unterrichtung erheblich geringer ist) und der Einsparungen im Vorhalten getrennter Sonderschulen und über die Folgen demografischer Entwicklungen in einzelnen Bezirken wird in diesem Vorschlag nicht Bezug genommen. Diese Aspekte sind jedoch außerordentlich bedeutsam.

Bei der geplanten neuen Schulstruktur in Berlin und bei der Umsetzung des Investitionsprogramms im Bereich der Schulen ist darauf zu achten, dass alle neuen integrativen Sekundarschulen Raumbedarf für den Bereich der individuellen, auch sonderpädagogischen Förderung haben. Zugleich ist zu prüfen, ob modernisierte Sonderschulgebäude für integrative Sekundarschulen geeignet sind.

Die Analyse kommt zum Ergebnis, dass mit den gegenwärtigen personellen Ressourcen eine landesweite Umsteuerung in Richtung gemeinsamen Unterrichts möglich ist. Es gibt nach dieser Analyse keine finanziellen Gründe für die sonderpädagogische Förderung an Sonderschulen festzuhalten. Pädagogische, lerntheoretische und sozialpolitische Gründe sprechen ohnehin für gemeinsamen Unterricht (vgl. u.a. Bless 1995, Hildeschmidt/Sander 1996, Wocken 2007).

Im Folgenden wird ein Überblick über die personelle Ausstattung der verschiedenen Sonderschulen in Berlin [3] vorgenommen, um unter Einbeziehung der vorhandenen und seit 2004 „gedeckelten“ Stellen für den GU eine Gesamtrechnung vorzulegen. Die Daten für die Sonderschulen beruhen auf offiziellen Angaben aus der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Wie ein Teil der VZE (Vollzeiteinheiten à 27h) im GU, nämlich die Dispositionsstunden, in den Bezirken eingesetzt werden, ist nicht ermittelbar Mit diesen Mitteln können sog. temporäre Lerngruppen eingerichtet werden, die der AK Gem seit langem kritisiert, weil sie nichts anderes als Sonderklassen für Lernschwache darstellen.

Die Mittel dafür werden aus unserer Sicht unzulässigerweise aus dem Stellenpool für den gemeinsamen Unterricht entnommen.

Die Darstellung ist in zwei Abschnitte geteilt. Im ersten Teil (A) erfolgt eine Analyse der gegenwärtigen personellen Ausstattung der Berliner Sonderschulen auf Grundlage der vorhandenen Daten. Im zweiten Teil (B) wird aufgezeigt, was mit diesen personellen Mitteln und den jetzigen Stellen im GU in Hinblick auf den Gemeinsamen Unterricht möglich wäre.

Grundlage des Modells ist ein Vorschlag, der von Klemm/Preuss-Lausitz für die Stadtgemeinde Bremen (Klemm/Preuss-Lausitz 2008) und in Kurzfassung auch in der Berliner Lehrerzeitung 12/2008 vorgelegt wurde (Preuss-Lausitz 2008).

A Gegenwärtige personelle Ausstattung der Berliner Sonderschulen

Zur personellen Situation an den Berliner Sonderschulen liegen folgende Daten vor:

a) die Anzahl der erteilten Unterrichtsstunden an Sonderschulen (in Vollzeiteinheiten auf Bezirksebene und gem. Förderschwerpunkt) sowie die Zahl der schulbezogenen A/E-Stunden [4] ,

b) Angaben zu weiterem pädagogischen/unterstützenden Personal wie Erzieher/-innen, koord. Erzieher/ -innen, Internatsleiter/innen, Stützpädagogen/ -innen, abgeordneten Erzieher/ -innen, Betreuer/ -innen, abgeordneten Betreuer/-innen, PM, PU [5] sowie Sozialarbeiter/ -innen an Sonderschulen.

Aus der allgemeinen Schulstatistik lässt sich zudem die Zahl der Schüler/ -innen an den einzelnen Sonderschulen und in den Bezirken ablesen.

Informationen über die Verteilung auf unterschiedliche Bildungsgänge an Schulen mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung liegen nicht vor. Diese Schulen führen z. T. Klassen in äußerer Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Schulabschlüsse: Hauptschulabschluss, Realschulabschluss bzw. der berufsorientierende Abschluss [6] .

Bei den Schulen mit Förderschwerpunkt Lernen , die teilweise auch Klassen für andere Förderschwerpunkte (Sprache, geistige Entwicklung, Autismus) führen, werden die Personalmittel für diese Sonderklassen getrennt ausgewiesen. Schüler/ -innen sowie Lehrkräfte in Grundschulklassen an Sonderschulen wurden nicht in die Berechnung einbezogen. Die Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen (insgesamt 40 im Schj. 2006/07) sind in jedem Bezirk vorhanden.

Zu einigen Kostenstellen in Sonderschulen wurden keine Angaben erhoben. Der Vollständigkeit halber werden sie jedoch erwähnt. Dazu gehören die Betriebskosten für die Schulgebäude und die Beförderungskosten für Schüler/ -innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Verwaltung dieser Kosten obliegt den 12 Bezirksämtern. Die Kosten für Schulhelfer/ -innen , die an Sonderschulen eingesetzt werden, ebenso wie die Kosten für Zivildienststellen/FSJ-Stellen an Sonderschulen werden ebenfalls nicht in die Berechnung aufgenommen. Die Betriebs- und Beförderungskosten sind in einem Berliner Bezirk, im Vergleich mit Landkreisen zweier anderer Bundesländer, vor einigen Jahren exemplarisch detailliert untersucht worden (vgl. Preuss-Lausitz 2000).

Die Analyse der personellen Ausstattung der Sonderschulen wird einerseits auf der Ebene aller Förderschwerpunkte auf Landesebene und andererseits an Hand des Förderschwerpunkts Lernen zusätzlich auf Bezirksebene durchgeführt.

Neben den verfügbaren Vollzeiteinheiten wird jeweils auch eine Schüler/-innen-Lehrkraftrelation mit und ohne Einbeziehung der A/E-Stunden sowie die Zahl der Lehrkräfte und Schüler/-innen pro Klasse ausgewiesen.

Tabelle 1:

Erteilter Unterricht und schulbezogene [7] Anrechnungsstunden an Sonderschulen nach Förderschwerpunkten im Verhältnis zur Zahl der Schüler/-innen und der Klassen (Schj. 2007/08)

Schule mit Förderschwerpunkt

Klassen

Schüler/-innen

Schüler/-innen pro Klasse

erteilte Stunden [8]

Anrechnungsstunden

erteilte Stunden und Anrechnungsstunden

Wochenstunden pro Schüler/-in (ohne Anrech-nungsstunden)

Wochenstunden pro Schüler/-in (mit Anrech-nungsstunden)

Lehrkräfte pro Klasse

1

2

3

4

5

6 (4+5)

7

8

9

n

n

n

in VZE [9]

in h

in VZE

in h

in VZE

in h

in h

in h

n

Lernen

503

5.287

10,5

652,0

17.604,0

74,4

2.008,8

726,4

19.612,8

3,3

3,7

1,4

Emotionale und soziale Entwicklung

44

328

7,5

60,9

1.644,3

7,0

189,0

67,9

1.833,3

5,0

5,6

1,5

Sprache

202

2.182

10,8

214,4

5.788,8

29,9

807,3

244,3

6.596,1

2,7

3,0

1,2

Summe LES

749

7.797

10,4

927,3

25.037,1

111,3

3.005,1

1.038,6

28.042,2

3,2

3,6

1,2

Geistige Entwicklung

278

1.860

6,7

271,7

7.335,9

27,2

734,4

298,9

8.070,3

3,9

4,3

1,1

Hören

52

382

7,3

67,8

1.830,6

10,3

278,1

78,1

2.108,7

4,8

5,5

1,5

Körperliche und motorische Entwicklung

129

911

7,1

167,7

4.527,9

17,0

459,0

184,8

4.989,6

5,0

5,5

1,4

Sehen

41

295

7,2

54,4

1.468,8

7,9

213,3

62,3

1.682,1

5,0

5,7

1,5

Sonstige [10]

88

790

9,0

119,7

3.231,9

12,6

340,2

132,3

3.572,1

4,1

4,5

1,4

Summe andere

588

4.238

7,2

681,0

18.387,0

75,0

2.025,0

756,0

20.412,0

4,3

4,8

1,2

Gesamtergebnis

1.337

12.035

9,0

1.608,6

43.432,2

186,3

5.030,1

1.795,0

48.465,0

3,6

4,0

1,3

Tabelle 2:

Erteilter Unterricht und schulbezogene Anrechnungsstunden an Sonderschulen „Lernen“ nach Bezirken (Schj. 2007/08)

Bezirk

Schulen

Klassen

Schüler/-innen

Schüler/-innen pro Klasse

erteilte Stunden

Anrechnungsstunden

erteilte Stunden und Anrechnungsstunden

Wochenstunden pro Schüler/-in (ohne Anrechnungsstunden)

Wochenstunden pro Schüler/-in (mit Anrechnungsstunden)

Lehrkräfte pro Klasse

1

2

3

4

5

6

7 (5+6)

8

9

10

n

n

n

n

in VZE

in h

in VZE

in h

in VZE

in h

in h

in h

n

01 – Mitte

4

46

495

10,8

62,2

1.679,4

9,42

254,3

71,62

1.933,7

3,39

3,91

1,56

02 – Friedrichshain-Kreuzberg

2

24

238

9,9

37,35

1.008,5

5,71

154,2

43,06

1.162,6

4,24

4,88

1,79

03 – Pankow

5

53

493

9,3

64,55

1.742,9

7,38

199,3

71,93

1.942,1

3,54

3,94

1,36

04 – Charlottenburg-Wilmersdorf

2

22

232

10,5

29,5

796,5

2,86

77,2

32,36

873,7

3,43

3,77

1,47

05 – Spandau

2

15

173

11,5

21,83

589,4

4,07

109,9

25,9

699,3

3,41

4,04

1,73

06 – Steglitz-Zehlendorf

2

25

207

8,3

34,96

943,9

4,17

112,6

39,13

1.056,5

4,56

5,10

1,57

07 – Tempelhof-Schöneberg

3

25

287

11,5

35,25

951,8

5,23

141,2

40,48

1.093,0

3,32

3,81

1,62

08 – Neukölln

6

76

786

10,3

93,31

2.519,4

7,45

201,2

100,76

2.720,5

3,21

3,46

1,33

09 – Treptow-Köpenick

3

38

423

11,1

51,15

1.381,1

4,77

128,8

55,92

1.509,8

3,26

3,57

1,47

10 – Marzahn-Hellersdorf

4

83

962

11,6

100,64

2.717,3

9,19

248,1

109,83

2.965,4

2,82

3,08

1,32

11 – Lichtenberg

4

62

652

10,5

78,12

2.109,2

6,87

185,5

84,99

2.294,7

3,24

3,52

1,37

12 – Reinickendorf

3

34

339

10,0

43,17

1.165,6

7,28

196,6

50,45

1.362,2

3,44

4,02

1,48

Berlin

40

503

5.287

10,5

652,03

17.604,8

74,4

2008,8

726,43

19.613,6

3,33

3,71

1,44

Die 186,35 VZE für A/E-Stunden an Sonderschulen verteilen sich in den zeitlich relevanten Positionen wie folgt:

Tabelle 3:

Schulbezogene Anrechnungsstunden der Lehrkräfte in VZE an allen Sonderschulen

Schulleiter/-in

43,0

Konrektor/-in

9,1

Zweite/r Konrektor/-in

2,9

Entlastungskontingent = 0,5 % der anerkannten Unterrichtsstunden

46,3

Summe in VZE

101,3

Summe in h

2.736,7

Beratende diagnostische Aufgaben

67,6

Koordination Feststellungsverfahren und Vorklärung

7,3

Summe in VZE

74,9

Summe in h

2.022,6

Im Zuge einer Umgestaltung der Berliner Schullandschaft hin zu einem flächendeckenden Gemeinsamen Unterricht würden einige dieser Anrechnungsgründe entfallen und ebenfalls für die Unterstützung im Unterricht zur Verfügung stehen, vor allem die des oberen Teils der Tabelle 3. Aus diesem Grund wurde in Tabelle 1 und 2 die Anzahl der Wochenstunden pro Schüler/in auch inklusive der Anrechnungsstunden betrachtet..

Neben Lehrkräften ist an den Berliner Sonderschulen weiteres pädagogisch geschultes Personal tätig. Die folgenden Tabellen geben einen Überblick über die Stellen an den verschiedenen Sonderschularten sowie die Verteilung der Stellen auf die unterschiedlichen Berufsfelder.

Tabelle 4:

Weiteres pädagogisches/unterstützendes Personal an Sonderschulen (neben den Lehrkräften), bezogenen auf die versch. Förderschwerpunkte, in VZE [11]

Schule mit Förderschwerpunkt Hören

23,59

Schule mit Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung [12]

195,71

Schule mit Förderschwerpunkt Sehen

43,10

Schule mit Förderschwerpunkt Sprache

92,12

Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“

494,88

Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt „Lernen“

106,03

Summe

961,43

Diese verteilen sich wie folgt auf die unterschiedlichen Berufsfelder:

Tabelle 5:

Pädagogisches und unterstützendes Personal nach Berufsbildern, in VZE [13]

Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“

Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt „Lernen“

Gesamtergebnis an allen Sonderschulen

Päd. Unterrichtshilfe (PU)/ Päd. Mitarbeiter/in (PM)

292,81

2,00

326,45

Stützpädagog/-innen [14]

7,04

13,33

39,96

Erzieher/-innen

31,77

79,87

303,00

Betreuer/-innen 135,60

0,48

221,20

Internats-Leiter/-innen

0,97

Koord. Erzieher/-innen

0,71

7,00

20,34

abgeordnete Erzieher/-innen [15]

5,66

3,34

13,70

abgeordnete Betreuer/-innen

21,33

33,84

Stellen insgesamt (in VZE)

494,88

106,03

961,43

Stellen insgesamt (in h) [16]

18.935,8

4.016,95

36.568

Stunden pro Kind (in h)

10,2

0,8

3,0

Einzelfallhelfer und Schulhelfer werden nicht mit berücksichtigt.

B Modellvorschlag für finanzierbare flächendeckende gemeinsame Erziehung

Ausgehend von den bisher für die sonderpädagogischen Förderung vorhandenen Ressourcen (Sonderschulen und GU) soll in der Folge ein Konzept skizziert werden, wie auf dieser Grundlage Personal für die sonderpädagogische Förderung an allgemeinen Schulen zur Verfügung gestellt werden kann.

Ziel dieser Vorlage ist es, im Land Berlin durch den Verzicht auf individuelle Feststellungsverfahren in den Förderschwerpunkten Lernen, emotionale und soziale Entwicklung (Verhalten) und Sprache (LES) – unter der Voraussetzung, dass keine Schüler auf Sonderschulen LES überwiesen werden – zu einer realistischen Kosteneinschätzung für einen konsequente Umsetzung des im Berliner Schulgesetz implementierten Grundgedankens des Gemeinsamen Unterrichts zu kommen. Das kann durch eine festgelegte Quote bezogen auf den Altersjahrgang [17] realisiert werden.

Entwicklung im Land Berlin

Im Schuljahr 2007/08 erhalten 7,00% aller an allgemein bildenden öffentlichen Schulen [18] unterrichteten Schüler/-innen (Kl. 1-10) sonderpädagogische Förderung (S+GU) [19] . Der Anteil ist in den letzten 10 Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Quote von 7,0% liegt deutlich höher als im Bundesdurchschnitt (5,8%), jedoch gleich auf mit Bremen (7,0%) und unter Hamburg (7,66%) (vgl. Tabellenteil im Gutachten Klemm/Preuss-Lausitz auf der Grundlage der KMK-Statistik 2008).

Bei den Förderschwerpunkten Lernen und emotionale und soziale Entwicklung / Verhalten und Sprache (LES) liegt die Quote im Land Berlin bei 5,34%, in den übrigen FöS zusammen bei 1,66%.

Der relative Anstieg der Schüler/-innen mit sonderpädagogischer Förderung in den vergangen Jahren kann u.a. durch folgende zwei Gründe bedingt sein:

a) Der Anteil von Schüler/-innen, die zusätzlichen (sonderpädagogischen) Förderbedarf haben, ist aufgrund der sozialen Verschärfung von Armut im Land Berlin gestiegen. Diese Annahme kann allerdings weder bewiesen noch widerlegt werden, da es in mehreren Förderbereichen keine „objektiven“ Merkmale des sonderpädagogischen Förderbedarfs gibt; das belegen nicht zuletzt die stark variierenden Anteile innerhalb der Förderbereiche (selbst bei Schüler/-innen mit Förderbedarf „geistige Entwicklung“) zwischen den Bundesländern.

b) Der absolute Schülerrückgang in den allgemeinen Schulen ist deutlich höher als der Rückgang der Schüler/-innen in Sonderschulen. Dadurch steigt der relative Anteil der SEN (vgl. Tabelle 6). Während die Schulplätze in den Sonderschulen größtenteils erhalten bleiben, steigen die Zahlen im GU, weil Eltern immer häufiger gemeinsame Erziehung wünschen.

Tabelle 6:

Entwicklung der Quote sonderpädagogischer Förderung im Land Berlin zwischen 1997 und 2008

Ist 1997/98

Ist 2006/07

Prognose 2015/16

Veränderung 1997/08 auf 2006/07

Alle Schüler/-innen Kl. 1-10

395.000

313.000

286.430

– 20,9%

SEN (nur S)

13.000

12.370

10.070

– 4,8%

SEN (nur GU)

5.130 [20]

6.550

?

+ 27,7%

Modellannahmen (Parameter):

  1. Es wird davon ausgegangen, dass für 6,5% aller Schüler/-innen (Kl. 1-10) sonderpädagogische Unterstützung vorgehalten wird [21] . Differenziert wird in zwei Gruppen: für LES 4,5%; für die übrigen SEN: 2,0%.
  2. Über alle Schüler/-innen wird ein Faktor x in sonderpädagogischen Stunden gerechnet. Hier wird vorgeschlagen, allen Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (alle Förderschwerpunkte) im GU und in Sonderschulen 4 Stunden sonderpädagogische Förderung anzuerkennen.. Die in den Sonderschulen vorhandenen weiteren personellen Ressourcen für Betreuung und Unterstützung werden bei GU mit verlagert.
  3. Eine spätere Differenzierung der Ausstattung für die Einzelschulen nach sozialen und regionalen Unterschieden, die sich an definierbaren Sozialindikatoren misst, ist erforderlich. Für Bremen und Hamburg liegen solche ausgewiesenen Indikatoren pro Schule vor.
  4. Für LES wird zur Erhebung des Bedarfs keine Feststellungsdiagnostik mehr durchgeführt. Der Stundenanteil für vorzuhaltende sonderpädagogische Fördermöglichkeiten wird gem. der gesamten Schülerzahl einer Schule errechnet. Zugleich wird schulinterne Förderdiagnostik mit Rechenschaftslegung eingeführt.
  5. Es werden keine Schüler/-innen in LES mehr den Sonderschulen zugewiesen. Das entsprechende Personal wird jahrgangsweise in die allg. Schulen nach dem Rechenmodell verlagert. Über den Zeitpunkt der Schließung der LES-Schulen bzw. ihre Umwandlung in Regelschulen entscheidet der Schulträger im Einvernehmen mit der zuständigen Senatsverwaltung.
  6. Für alle übrigen SEN (geistige Entwicklung, Sinnesbehinderungen, körperliche und motorische Entwicklung) gilt das uneingeschränkte Recht der Kinder auf integrative Unterrichtung und Erziehung – ohne Haushaltsvorbehalt! Es bleibt es bei der Feststellungsdiagnostik . Dabei ist zu beachten, dass es keine Verschiebungen aus dem Grenzbereich SEN Lernen und SEN „Geistige Entwicklung“ zugunsten eines Anwachsens der letzteren Zuordnung gibt.
  7. Die „demografische Rendite“ bei sinkenden Schülerzahlen wird zur dringend notwendigen Verbesserung der Ausstattung vor allem in den Förderschwerpunkten Lernen und emotionale und soziale Entwicklung (Verhalten) genutzt.

Tabelle 7:

Sonderpädagogikstellen für Schulen Kl. 1-10 des Landes Berlin am Beispiel des Schj. 2007/08 (ohne weiteres Personal wie PU, Erzieher, Betreuer usw.) [22]

Kl. 1-6

Kl. 7-10

Summe Kl. 1-10

Alle Schüler/-innen Kl. 1-10

161.094

103.882

264.976

Alle SEN gemäß 6,5% Quote

10.471

6.752

17.223

mal 4 h sonderpäd. Lehrkraft (6,5%)

41.884 h

27.009 h

68.894 h

Lehrkräfte in VZE (6,5% Quote)

1.551 VZE

1.000 VZE

2.552 VZE

SEN LES, gemäß 4,5% Quote

7.249

4.675

11.924

mal 4 h sonderpäd. Lehrkraft (4,5%)

28.996 h

18.700 h

47.696 h

Lehrkräfte in VZE (4,5 % Quote)

1.074 VZE

693 VZE

1.767 VZE

Lehrkräfte in VZE (2,0% Quote)

477 VZE

307 VZE

785 VZE

VZE = 27 h

Zur Erläuterung: Im Land Berlin werden nach dieser Rechnung für die Klassen 1-10 an alle Bezirke 2.552 VZE Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung benötigt , davon alleine 1.551 VZE für die Klassen 1-6.

Von Gesamtpool werden 1.767 VZE an die einzelnen Bezirke entsprechend ihrer gesamten Schülerzahl verteilt. Die Schulaufsicht verteilt entsprechend an die einzelnen Schulen. Die restlichen 785 VZE [23] werden über Feststellungsdiagnostik für die Förderschwerpunkte „Geistige Entwicklung“, körperliche und motorische Entwicklung, Sinnesbehinderungen und Autismus verteilt, wobei die Erziehungsberechtigten entscheiden, ob sie ihr Kind integrativ oder an einer Sonderschule unterrichtet werden soll. Danach gehen die Ressourcen an die entsprechende Schule.

Der im Modell (6,5%) für das laufende Schuljahr berechnete Gesamtbedarf von 2.552 VZE kann verglichen werden mit den gegenwärtigen Ausstattungen:

1.784 VZE sind in den Sonderschulen vorhanden (1.609 VZE im Unterricht, 176 als schuleigene Anrechnungs-VZE) (vgl. Tab. 2). Im GU (gedeckelt seit 2004): Für die Schulanfangsphase SAPh stehen 282 VZE zur Verfügung. 734 VZE werden für GU für die allgemeinen Schulen über die Bezirke zugewiesen. Im Pool („Dispositionsmittel“) sind weitere 240 VZE vorgesehen, die allerdings auch für sog. Temporäre Lerngruppen und damit für Sonderschulgruppen – auch in Sonderschulen – verwendet werden können. Die nach unserem Rechenmodell 500 VZE, die mehr zur Verfügung stehen, werden genutzt, um die dringend erforderliche Ausstattungsverbesserung im Bereich LES zu erreichen und zugleich die Kosten aufzufangen, die dadurch entstehen, dass die integrierten SEN-Kinder zugleich Regelschüler sind mit einem „normalen“ Ausstattungsfaktor. [24]

Darüber hinaus sollten analog die anderen personellen Ressourcen aus den Sonderschulen (vgl. Tab. 5) zur Verfügung gestellt werden. Diese zusätzlichen Stellen sind bisher überwiegend an Sonderschulen mit den Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ und „Körperlich/motorische Entwicklung“ verortet. Es ist sicherzustellen, dass diese Ressourcen unabhängig vom Ort sonderpäd. Förderung zur Verfügung stehen.

Für die Sonderschulen „Lernen“, „Sprache“ und „em-soz-Entwicklung“ stehen 204 VZE zur Verfügung, die dann ebenfalls den allgemeinen Schulen bedarfsgerecht zugewiesen werden sollten.

Folgen der Modellrechnung für die Bezirke

Im Folgenden soll an vier ausgewählten Bezirken gezeigt werden, was der hier vorgelegte Vorschlag konkret bedeuten könnte. Exemplarisch wurde das Schj. 2007/08 zugrunde gelegt.

Tabelle 8:

Ausstattung der Grundschulen am Beispiel von vier Bezirken

Reinickendorf

Klasse 1-6

Spandau

Klasse 1-6

Treptow-Köpenick

Klasse 1-6

Tempelhof-Schöneberg Klasse 1-6

N alle Schüler/-innen in GS + S (= 100%)

13.954

(13.642+312)

11.573

(11.440+133)

10.147

(9.713+434)

15845 (15687+158)

Alle SEN gemäß 6,5% Quote

907

752

660

1030

Nur SEN LES gemäß 4,5% Quote

628

521

457

713

mal 4 h sonderpäd. Lehrkraft (6,5%)

3.628

3.009

2.638

4120

Lehrkräfte in VZE (6,5% Quote) für alle SEN

134

111

98

153

Lehrkräfte in VZE (4,5 % Quote) nur für SEN LES

93

77

68

106

GS = Grundschule (einschl. jetzige GU-Schüler/-innen) [25] ; S = Sonderschule

Erläuterung :

Für den Primarbereich erhielte Reinickendorf im Schj. 2007/08 insgesamt 134 VZE à 27 h Sonderpädagogik, wobei 93 Stellen für den Bereich LES direkt an die 32 Grundschulen gemäß ihrer gesamten Schülerzahl verteilt würden (differenziert nach Sozialindikatoren). Da Reinickendorf 32 Grundschulen hat, entfielen pro Grundschule im Schnitt für den Bereich LES 93: 32 = 2,9 VZE .

Für Treptow-Köpenick errechnen sich 98 VZE, darunter 68 VZE für den Bereich LES.

Das ist natürlich nur ein Gesamtdurchschnitt, da die Schülerzahl variiert. Da der Bezirk 2725 Grundschulen hat, errechnen sich pro Grundschule im Schnitt 68: 25 = 2,7 VZE.

Für Spandau errechnen sich 111 VZE, wobei an die 29 GS 77 VZE verteilt würden. Das wären pro Grundschule im Schnitt 2,7 VZE.

An den 35 Grundschulen in Tempelhof-Schöneberg würden die 106 VZE in durchschnittlich 3 VZE pro Schule verteilen.

Die Ressourcen für die Förderschwerpunkte „Geistige Entwicklung“, „Sehen“, „Hören“ und „Körperlich/motorische Entwicklung“ oder „Autismus“ ( in Rei: 41 VZE, in Tr-Kö 30 VZE, Spandau: 34 VZE) im Primarbereich werden durch individuelles Feststellungsverfahren entweder an die allg. Schulen vergeben, wenn durch die Erziehungsberechtigten GU gewünscht wird, oder den entsprechenden Sonderschulen zugeordnet.

Analog kann für die Sekundarstufe I vorgegangen werden.

Tabelle 9:

Ausstattung für die Sekundarstufe am Beispiel von vier Bezirken [26]

Reinickendorf

Kl. 7-10

Spandau

Kl. 7-10

Treptow-Köpenick

Kl. 7-10

Tempelhof-Schöneberg Kl. 7-10

N Schüler/-innen Sek I + S (= 100%)

10.338

(9937+401)

8.600

(8404+196)

5.863

(5577+286)

10753

(10506+247)

Schüler/-innen SEN (6,5% Quote)

672

559

381

699

Schüler/-innen SEN LES (4,5% Quote)

465

387

264

484

mal 4 h sonderpäd. Lehrkraft (6,5%)

2.688 h

2.236 h

1.524 h

2.796

Lehrkräfte in VZE (6,5% Quote)

100

83

56

104

Lehrkräfte in VZE (4,5 % Quote)

69

57

39

72

Beispiel einer Grundschule

Eine 3-zügige Grundschule mit 18 x 24 Schüler/-innen [27] (= 432 Schüler/-innen) erhält nach diesem Verfahren für (aufs Jahr gerechnet) 4,5% (= 19,4 Schüler/-innen) sonderpädagogische Mittel ohne individuelle Feststellungsverfahren, das sind x 4 h = 77,6 h: 27 = 2,87 VZE . Sie dienen der flexiblen Förderung im Bereich LES und können auch weit mehr als die fiktiven 19,4 Schüler/-innen erreichen. Rechenschaftslegung erfolgt durch die an der GS fest angebundenen Sonderpädagog/-innen. Sie bilden ein Unterstützungs-Center [28] (vgl. BLZ 12/08), das der Schulleitung zugeordnet ist. Weitere sonderpäd. Mittel kommen hinzu, wenn Schüler/-innen mit den Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“, „Sehen“, „Hören“ und „körperliche und motorische Entwicklung“ oder „Autismus“ integriert werden.

Beispiel einer Sekundarschule

Eine 5zügige Sekundarschule (Gesamtschule) mit einer Durchschnittsfrequenz von 25 Schüler/-innen [29] hat 5 x 4 x 25 = 500 Schüler/-innen. 4,5% = 22,5. Bei 4 h pro Schüler/-in ergeben sich als Basisausstattung 90 h = 3,33 VZE Sonderpädagogik für die Bereiche LES. Ansonsten Verfahren wie unter Grundschule.

C Ergebnis

Die Analyse ergab, dass es keine finanziellen Gründe gegen eine flächendeckende Umsetzung des GU gibt. Es ist eher so, dass dadurch die notwendige Verbesserung der sonderpädagogischen Ausstattung erreicht werden könnte. Einspareffekte durch wohnortnahe Integration führen für die Schulträger – statt hoher Beförderungskosten zu entfernteren Sonderschulen und Einsparungen im Betrieb getrennter Sonderschulen – zu finanzieller Entlastung. Diese Ressourcen könnten beispielsweise eingesetzt werden, um andere Schwerpunkte der avisierten Schulreform zu berücksichtigen. Dazu gehört auch die Frage, ob Sonderschulgebäude möglicherweise für die geplante Schulreform (z. B. integrierte Sekundarschulen) genutzt oder sie selbst in solche allgemeinen Schulen umgewandelt werden könnten.

Anzumerken bleibt, dass die obige Erfassung nur die Personalkosten berücksichtigt, die im Zusammenhang mit dem GU von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf entstehen. Eine weitergehende Betrachtung der gesamtgesellschaftlichen Folgekosten , die die Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen an Sonderschulen nach sich zieht kann und soll an dieser Stelle nicht erfolgen. Ebenfalls wird keine Auflistung der notwendigen Mittel für die Integration in das Arbeitsleben und das Gemeinwesen erstellt.

Das vorgestellte Konzept zeigt auf, dass die notwendigen Ressourcen für flächendeckende gemeinsame Unterrichtung und Erziehung vorhanden sind. In der Phase der konsequenten Umsteuerung ist natürlich zu berücksichtigen, etwa beim Wegfall von Schulleitungsstellen, dass persönliche Statusrechte gesichert bleiben – wie dies auch im Zuge der gegenwärtig geplanten Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen gilt. Das ist jedoch ein Übergangsphänomen, das nichts an der grundsätzlichen Aussage dieser Analyse ändert.

Für die Umsetzung eines solchen Konzepts ist ein politischer Wille und das kooperative Handeln aller Akteure nötig – Eltern und ihre Kinder, Lehrkräfte und ihre Vertreter, Bezirke und ihre Verwaltungen, Parteien und ihre Bezirks- und Landesvertreter, und nicht zuletzt die zuständige Senatsverwaltung und ihre politischen Verantwortlichen und Fachleute.

Ein Konzept für den flächendeckenden Gemeinsamen Unterricht der Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen muss Teil der allgemeinen Schulreform werden. Sie darf nicht abgekoppelt und auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden!

Literatur

Bless, G.: Zur Wirksamkeit der Integration. Bern, Stuttgart, Wien 1995.

Hildeschmidt, A. / Sander, A.: Zur Effizienz der Beschulung so genannter Lernbehinderter in Sonderschulen. In: Eberwein, H. (Hrsg.):Lernen und Lernbehinderungen. Weinheim und Basel 1996, 115-134.

Klemm, K. /Preuss-Lausitz, U.: Gutachten zum Stand und zu den Perspektiven der sonderpädagogischen Förderung in den Schulen der Stadtgemeinde Bremen. Essen und Berlin Juli 2006 (www.ewi-tu.berlin.de – Downloadbereich).

KMK: Statistische Veröffentlichungen, Nr. 185: Sonderpädagogische Förderung in Schulen 1997-2006. Bonn April 2008.

Preuss-Lausitz, U.: Nachhaltige Finanzierung für alle Schulen. In: Berliner Lehrerzeitung 12/2008, 11-12.

Preuss-Lausitz, U.: Kosten bei integrierter und separater sonderpädagogischer Unterrichtung. Frankfurt/M: Max-Traeger-Stiftung 2000. Zusammenfassend in: Ders.: Untersuchungen zur Finanzierung sonderpädagogischer Förderung in integrativen und separaten Schulen. In: Eberwein, H./Knauer, S. (Hrsg.): Integrationspädagogik, 6. Aufl., Weinheim und Basel 2002, 514-524.

SenBWF: Referat I E – Bildungsstatistik – Prognose

Wocken, H.: Fördert Förderschule? Eine empirische Rundreise durch Schulen für „optimale Förderung“. In: Demmer-Dieckmann, I. / Textor, A. (Hrsg.): Integrationsforschung und Bildungspolitik im Dialog. Bad Heilbrunn 2007. 35-60.


[2] Früher: Verhaltensauffällige Schüler/-innen

[3] Berücksichtigung finden nur öffentliche Schulen. Für die sieben Sonderschulen in freier Trägerschaft (649 Schüler/-innen) stehen keine Daten zu Lehrkräften zur Verfügung.

[4] A/E = Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden. Ein Überblick über die zeitlich umfangreichsten A/E-Gründe gibt Tabelle 3.

[5] PM = Pädagogische/r Mitarbeiter/-in; PU = Pädagogische Unterrichtshilfe.

[6] Berlinspezifischer Schulabschluss für Schüler/-innen mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen.

[7] Daneben gibt es persönliche Ermäßigungsstunden, etwa für Altersermäßigung, Schwerbehinderung. Diese werden hier nicht berücksichtigt, da sie für die Umsteuerung des Doppelsystems irrelevant sind.

[8] Dies beinhaltet neben dem Unterricht gem. Stundentafel in den Klassen auch alle zusätzlichen Fördermaßnahmen durch Lehrkräfte (Sprachförderung, Hausunterricht, zusätzlicher Unterricht nach § 17 VO Sonderpädagogik).

[9] Eine VZE wird mit 27 Unterrichtsstunden gerechnet.

[10] Nicht einzeln aufgeführt sind die Schule für Kranke, eine kombinierte Schule mit Förderschwerpunkt Sprache und körperliche und motorische Entwicklung sowie zwei Autismus-Schulhort-Projekte.

[11] Für dieses Personal gelten unterschiedliche Wochenarbeitszeiten zwischen 38h und 40h.

[12] Die einzige gemeinsame Sonderschule für „Sprache“ und „körperliche und motorische Entwicklung“ wird hier mit allen Stellen unter „Schule mit Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung“ geführt.

[13] Stellen der Schulsozialarbeit sind hier nicht ausgewiesen.

[14] Erzieher/-innen mit heilpädagogischer Zusatzqualifikation.

[15] Diese Stellen sind aus dem Zentralen Stellenpool abgeordnet. Gleiches gilt für die abgeordneten Betreuer/-innen.

[16] Erzieher/-innen: 38h, Betreuer/-innen: 37h, Sozialarbeiter/-innen: 37h, PU – West (Ort der Schule): 38,5h, PU – OST: 40h.- Im Schnitt ergibt sich in Tab. 5 als durchschnittlicher Stundenanteil in den Schulen mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung 38,26 h, in den Schulen mit Förderschwerpunkt Lernen 37.88 h, in den Schulen aller Förderschwerpunkte im Schnitt 38,04 h.

[17] Vgl. auch das Gutachten für Bremen von Klaus Klemm und Ulf Preuss-Lausitz, 2008.

[18] In Bezug auf die in öffentlichen Schulen unterrichteten Schüler/innen. Da in den privaten Schulen im Land Berlin i.d.R. kein GU durchgeführt wird (und wenige S angeboten werden), werden als Bezugszahl die öff. unterrichteten Schüler gewählt. Auf das Problem der (weitgehend fehlenden) gemeinsamen Erziehung in Privatschulen soll hier nur verwiesen werden. Daten berechnet nach KMK in Klemm/Preuss-Lausitz 2008

[19] SEN = Students with special educational needs = Schüler/-innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

[20] Für 1999; vgl. KMK 2008, 54.

[21] Dies ist eine reine Planzahl, denn es wird vorgeschlagen, dass die den Schulen zugeordnete Personalressource mehr Schüler/-innen erreicht und nicht über das ganze Schuljahr auf ein bestimmtes Kind (bzw. eine Klasse) fixiert bleibt (finnisches Modell). Auf diese Weise könnten flexibel bis zu 20% aller Schüler zeitweilig diese sonderpädagogische Förderungsressource in Anspruch nehmen.

[22] Der Bedarf für die Sek II einschließlich der beruflichen Schulen ist hier nicht berücksichtigt.

[23] Diese 785 VZE gehen über die derzeit vorhandenen 756,4 VZE an den übrigen Sonderschulen hinaus (vgl. Tabelle 1).

[24] Z.B. haben Grundschüler/-innen einen individuellen Rechenfaktor je nach Schuljahr von 1,00 bis 1,292, Hauptschüler von 1,579 bis 1,292. Dieser Faktor ist jedoch bei den bisherigen integrierten rd. 6.000 SEN-Schüler/innen, da sie Regelschüler sind, den Schulen zugeordnet, aber nicht mit sonderpädagogischen (knappen) Ressourcen in Beziehung gesetzt worden.

[25] Die Schüler/-innen der Klassen 5 und 6 der grundständigen Gymnasien werden hier bei den Grundschulen mitgezählt.

[26] Daten für 2007/08

[27] 24 ist die Zahl der „Zumessungsrichtlinie“ für die Ausstattungsberechnung pro Klasse in Grundschulen. Der AK Gem hält sie für überhöht und plädiert für eine Absenkung auf 22.- Die Durchschnittsfrequenz in Grundschulen liegt bei 23,4.

[28] Zum Modell des Unterstützungszentrums vgl. das Klemm/Preuss-Lausitz-Gutachten 2008 und in Kurzfassung den Beitrag Preuss-Lausitz in der BLZ 12/2008.

[29] Die Zahl der „Zumessungsfrequenz“ ist für die Schulformen der Sekundarschule unterschiedlich und schwankt zwischen 19 und 29. Daher wird hier mit einem fiktiven Durchschnitt gerechnet. Integrationsklassen in der Sekundarstufe sollten nicht mehr als 24 Schüler/innen haben!

Zahlen zur Integrationsentwicklungen in Berlin und in den einzelnen Bezirken

Hier finden Sie die Folien zur Integrationsentwicklung aus dem AK GEM. Die Folien von Prof.Dr. Ulf Preuss-Lausitz wurden am 22. 5. den Grünen im Abgeordnetenhaus vorgetragen und diskutiert. Außerdem gibt es eine Powerpoint Präsentation zu den Entwicklungen beim Förderschwerpunkt Lernen und eine zu den Entwicklungen bei den anderen Förderschwerpunkten von Frank J. Müller.

10 Forderungen des Arbeitskreises Gemeinsame Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen (AK Gem) zum Berliner Pilotprojekt „Gemeinschaftsschule“ aus integrationspädagogischer Sicht

Berlin, im März 2007

Der Arbeitskreis Gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderungen (AK Gem) begrüßt die mit dem Projekt Gemeinschaftsschule zu erwartende Stärkung integrativer Entwicklungen im Berliner Schulwesen. Um diese Stärkung zu sichern, hält der AK Gem folgende Maßnahmen für erforderlich, die er in seiner Sitzung am 27.02.2007 beschlossen hat:

  1. Gemeinschaftsschulen sind Integrationszuschulen. Jede Gemeinschaftsschule des Pilotprojektes ist „Integrationsschule“, d.h. sie nimmt Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf. Die Gemeinschaftsschulen orientieren sich dabei an den Konzepten wohnortnaher Integration. Die Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschulen spiegeln die Sozialstruktur des Wohnumfelds wider.
  2. Integrative Klassen mit Normalisierungsprinzip . Integrative Klassen der Gemeinschaftsschulen orientieren sich in ihrer Zusammensetzung am bisherigen Berliner Konzept der „Normalisierung“ (max. drei Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf) und werden im Schnitt mit 12 h Sonderpädagogik zusätzlich ausgestattet. Bei Schülern, die blind, gehörlos, geistig oder schwermehrfach behindert sind, fallen entsprechend dem Organisationsrundschreiben der Bildungsverwaltung mehr Stunden an.
  3. Frequenzobergrenze 25 , Geschlechterverteilung . Unter dem Aspekt notwendiger Binnendifferenzierung ist es erforderlich, dass für die integrativen Klassen der Gemeinschaftsschule grundsätzlich eine Frequenzobergrenze von 25 eingeführt wird. Bei der Zusammensetzung wird darauf geachtet, dass der Anteil der Jungen und Mädchen gleich groß ist.
  4. Beratungs- und Servicezentrum Förderung einrichten . An jeder Gemeinschaftsschule wird eine Beratungs- und Serviceeinrichtung geschaffen. Die Beratungs- und Serviceeinrichtung koordiniert und begleitet die sonderpädagogische und ggf. auch sozialpädagogische Förderung, berät Eltern, Lehrkräfte und Schüler/innen bei spezifischen, mit der besonderen Förderung verbundenen, Fragen, pflegt Kontakte zur Jugendhilfe und anderen schulexternen Einrichtungen und bringt bei Veränderungsbedarf Vorschläge in die schulinternen Gremien und in die Projektgruppe des Pilotprojektes Gemeinschaftsschule ein. Dafür wird pro Schule eine Stelle mit spezieller Kompetenz (vor allem im Bereich der Lern- und Verhaltensförderung) eingerichtet. Im Hinblick auf die Koalitionsvereinbarung, die auf den kontinuierlichen Transfer des Pilotprojektes verweist, ist zu prüfen, ob eine Einrichtung an allen Schulen der Grund- und Sekundarstufe erfolgen kann, in deren Praxis die Integration von Kindern mit Behinderungen gemäß der Festlegung im Berliner Schulgesetz (sonderpädagogische Förderung vorrangig im gemeinsamen Unterricht) einen hohen Stellenwert hat.
  5. Finanzen bisheriger Sitzenbleiber umleiten . Der AK Gem begrüßt, dass die Klassenwiederholung in der Gemeinschaftsschule als eine sowohl sozial wie lernbezogen ineffektive Maßnahme nicht vorgesehen ist. Der bislang im Berliner Schulsystem dokumentierte durchschnittliche finanzielle Aufwand für Wiederholer pro Jahrgangskohorte ist als pauschale gesonderte Ressource kostenneutral an den einzelnen Schulen für gezielte Förderung einzusetzen. Von den einzelnen Pilotschulen ist eine klare Aussage zu verlangen, wie diese Mittel pädagogisch für leistungsschwache Schülerinnen und Schüler verwendet werden und wie der Erfolg evaluiert wird.
  6. Getrennte Rahmenpläne zusammenführen . Die bislang getrennten Rahmenpläne Lernen und geistige Entwicklung werden integriert in die der allgemeinen Schulstufen, wie dies beispielsweise in Schleswig-Holstein verwirklicht ist. Das erleichtert die Kommunikation zwischen den im Team arbeitenden Lehrkräften unterschiedlicher Lehrämter und die Information über ausbildungsfremde Fragestellungen.
  7. Neue Formen der Dokumentation der Lernleistungen und Persönlichkeitsentwicklung . Die Antwort auf Heterogenität in den Lern- und Entwicklungsprozessen verlangt individualisierte, inhaltlich klar ausgewiesene Formen der Lernentwicklungsdokumentation (z.B. Pensenbücher, Lernbücher, Portfolios u.a.). Dies ermöglicht es Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen, leichter ihre individuellen Lernwege auch im Rahmen des Klassenverbundes und des Wahlpflichtbereichs zu gehen. Zugleich erhalten Eltern und später Berufseinrichtungen oder Lehrkräfte der Sekundarstufe II genauere Informationen über die inhaltlichen Kompetenzen der Absolventen.
  8. Wissenschaftliche Begleitung als Prozess . Die in den Pilotschulen unterschiedliche Umsetzung der integrativen Zielsetzung der Gemeinschaftsschulen wird im Rahmen einer prozessorientierten wissenschaftlichen Begleitung dokumentiert und unter dem Aspekt der Optimierung und Übertragbarkeit ausgewertet. Das schließt den Blick auf die Maßnahmen innerhalb und außerhalb des Unterrichts für leistungsschwächere, behinderte und leistungsstärkere Schüler/innen ein (personelle Ressourcen, erforderliche didaktische, interkulturelle und kommunikative Kompetenzen, Raum- und Gestaltungsaspekte, Beratungs- und Vernetzungsfragen usw.).
  9. Fortbildung im Prozess der Pilotphase. Die Erfahrungen mit heterogenen Lerngruppen, die die Berliner Schulen mit integrativen Klassen im Primar- wie im Sekundarbereich seit langem gesammelt haben, sind durch schulinterne Fortbildung den Pilotschulen zu vermitteln. Diese Erfahrungen sind auch jenseits der Behindertenintegration für die Förderung leistungs- und verhaltensheterogener Lerngruppen wichtig.
  10. Integrative Lehrerbildung ausbauen . Der AK Gem fordert, dass sowohl in der gestuften Lehrerausbildung als auch im Referendariat integrationspädagogische Grund- und Praxisfragen verbindlich verankert bleiben bzw. werden. Künftige Sonderpädagogen müssen an integrativen Schulen, auch an Gemeinschaftsschulen, ihre gesamte fachliche Ausbildung absolvieren können, wenn entsprechende Mentoren vorhanden sind.

Stellungnahme des AK GEM zur Entwurfsfassung zur Verordnung zur Änderung der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung (Fassung 22.2.07)

Der AK GEM begrüßt die in § 31 wieder eingeführte Möglichkeit, für den Bereich Lernen und Verhalten („Emotionale und soziale Entwicklung“) bei eindeutigen Hinweisen vor der Einschulung bzw. während der Schulanfangsphase wieder individuelle sonderpädagogische Förderung zu beantragen. Das hat der AK GEM in seiner Stellungnahme zur SopäV von 2004 schon gefordert. Damit trägt die Bildungsverwaltung den ersten Erfahrungen mit der Schulanfangsphase Rechnung und berücksichtigt einen wesentlichen diagnostischen Aspekt. Der AK GEM weist allerdings darauf hin, dass bislang die Anfangsdiagnostik für alle Kinder noch zu wenig gründlich und umfassend gestaltet ist und hier weiterer Fortbildungsbedarf für Grundschullehrkräfte und Sonderpädagogen besteht.

Der AK GEM begrüßt die in § 32, Absatz 8 neu eingeführte Regelung, dass regionale Überschreitung der Referenzwerte für die Förderschwerpunkte Sprache, Lernen und Emotionale und soziale Entwicklung von der Schulaufsicht zu begründen sind.

Um die Gemeinsame Erziehung und Unterrichtung (GU) entsprechend dem Berliner Schulgesetz (Vorrang des GU) und der Koalitionsaussage der gegenwärtigen Regierung besser zu entwickeln, fordert der AK Gem Änderungen an dem uns vorliegenden Entwurf in folgenden Punkten:

1. § 4 , Absatz 2 : Durch das Ersetzen der Konjunktion „oder“ durch „und“ ist eindeutig eine Einschränkung der Integrationsmöglichkeiten in der Sekundarstufe vorgesehen.

Zitat: „Schulen, die die Integration in ihrem Schulprogramm besonders ausgewiesen haben und die Kooperationen zur Übernahme von Lerngruppen aus dem gemeinsamen Unterricht an der Grundschule vereinbart haben, können darüber hinaus mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde integrative Klassen einrichten.“ Der AK GEM sieht in der Verknüpfung der genannten zwei Bedingungen zur Einrichtung von Integrationsklassen eine Einschränkung der schulischen Möglichkeiten, diese Klassen einzurichten. Hier muss es weiterhin „oder“ heißen.

(siehe dazu auch unseren Hinweis zu § 20)

2. § 4, Absatz 10: Der AK GEM fordert die Streichung dieses Absatzes. Eine Koordination des Einsatzes von Sonderschullehrern/innen ausschließlich durch die sonderpädagogischen Förderzentren ergibt weder fachlich noch organisatorisch einen Sinn. Jede Schule, die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf beschult, hat Anspruch auf die entsprechenden fachlichen Ressourcen. In jeder Schule sollte ein Sonderpädagoge die kollegiale Beratung und Beratung der Eltern und Schüler, die Koordination des Mitteleinsatzes und die Begleitung der Hilfepläne übernehmen. Der AK Gem fordert erneut, dass jede Schule mit entsprechender Gesamtschülerzahl mindestens eine Vollzeitstelle Sonderpädagogik (insbesondere mit den Schwerpunkten Lernen/Verhalten) hat, die als Koordination innerhalb der Schule fungieren kann. (Die Zuweisung der Stunden bleibt Aufgabe der Schulaufsicht.)

3. § 18, Absatz 4: Wir erachten es als Widerspruch zum Schulgesetz, das in Absatz 4 steht: „Genügt der Umfang der sonderpädagogischen Fördermöglichkeiten (gemeint sind vermutlich die Förderstunden) nicht mehr dem individuellen Bedarf…ist… zu prüfen, ob die Schülerin oder der Schüler weiterhin eine allgemeine Schule besuchen soll“. Bei einem gesetzlich garantiertem Vorrang der Integration und entsprechendem Elternwunsch müsste zunächst geprüft werden, ob die betreffende Schule nicht bedarfsgerecht ausgestattet werden kann oder – wenn dies aus wichtigen Gründen nicht möglich ist –eine andere allgemeine Schule diese Voraussetzungen erfüllt. Der AK GEM fordert die Streichung dieses Absatzes, da er unnötigerweise eine Beschulung in einer Sondereinrichtung präjudiziert.

4. § 20, Absatz 4 : Die Begrenzung integrativer Klassen in der Sekundarstufe ist grundsätzlich abzulehnen. Es gibt keinerlei nachvollziehbaren Gründe, warum eine Schule im Rahmen ihrer größeren Selbständigkeit als Teil ihres Schulprogramms und Profils nicht beschließen dürfte, dass alle ihre Klassen, soweit Nachfrage besteht, Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf aufnehmen.

5. § 31, Absatz 5 und 6: Ausgehend vom schulgesetzlich festgelegten Vorrang der Integration lehnt der AK Gem die in den Absätzen 5 und 6 getroffenen Formulierungen ab, dass „Koordinierungsstellen .von der regionalen Schulaufsicht in der Regel an Sonderpädagogischen Förderzentren eingerichtet“ (werden) und „über den Antrag entscheidet die Schulaufsichtsbehörde nach Klärung der individuellen Voraussetzungen durch die Koordinierungsstellen. Die Entscheidung ist den Erziehungsberechtigten, der Schule und dem fachlich zuständigen Sonderpädagogischen Förderzentrum schriftlich mitzuteilen“. Damit werden die Förderzentren zu Richtern über den Gemeinsamen Unterricht – und sie sind per se nicht unbefangen, hängt doch ihre Existenz an einem Minimum von Schülern ab, die nicht integriert werden.

Es erscheint uns geradezu absurd, den Sonderschulen für Lernbehinderte eine dermaßen einflussreiche Stellung zuzuweisen. Demgegenüber fordert der AK GEM seit langem schulunabhängige Koordinationsstellen, die nur der Schulaufsicht unterstehen. In unserer Stellungnahme zum Pilotprojekt Gemeinschaftsschule haben wir im Übrigen angeregt, innerhalb größerer Integrationsschulen Koordinations- und Beratungszentren innerhalb der Schulen einzurichten, die für alle Aspekte von Förderung und Beratung – auch über die Sonderpädagogik hinaus – zuständig sind.

Der AK Gem empfiehlt dringend, den Entwurf der Veränderung der Sonderpädagogischen Verordnung entsprechend zu verändern.

Initiative des AK Gem zur Überwindung bezirklicher Barrieren gegen gemeinsame Erziehung

AK Gem kritisiert große bezirkliche Unterschiede bei der Integrationsbereitschaft in Berlin!

Der AK GEM stellt nach Durchsicht der amtlichen Statistik der Berliner Bildungsverwaltung des Schuljahres 2004/05 über die sonderpädagogische Förderung in der Berliner Schule mit Erschütterung fest, dass es extreme bezirkliche Unterschiede in der Bereitschaft gibt, gemeinsamen Unterricht zu verwirklichen. Das widerspricht dem Auftrag des Gesetzgebers, gleiche Bildungschancen zu sichern. Nicht zuletzt wird der im Schulgesetz verankerte Vorrang der gemeinsamen Erziehung massiv verletzt.

Insbesondere fällt auf, dass trotz hoher Gesamtanteile sonderpädagogischer Quoten (bezogen auf alle Schülerinnen und Schüler) in den Ostberliner Bezirken Pankow, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg , 15 Jahre nach der Vereinigung der beiden Stadthälften, die integrative sonderpädagogische Förderung außerordentlich gering ist . Auch innerhalb west-östlicher Bezirke fallen Mitte alt und Friedrichshain durch unterdurchschnittliche Integrationsquoten auf.

Wir konzentrieren uns hierbei exemplarisch auf den Förderbereich Lernen. Damit entfällt das – oft vorgeschobene – Argument, in bestimmten Bezirken seien die Sonderschulformen unterschiedlich stark vertreten und daher ergäben sich Bezirksunterschiede.

Wir fügen diesem Brief Grafiken und Tabellen bei, auf denen für den Förderbereich Lernen diese Form der Benachteiligung und damit der Ungerechtigkeit dargestellt ist.

Dieser Zustand, der vom AG GEM schon Mitte der 1990er Jahre gegenüber der Bildungsverwaltung kritisiert wurde, kann nicht weiter hingenommen werden. Immer wieder wurde seitens der Bildungsverwaltung und der jeweiligen Schulaufsicht gegenüber dem AK GEM darauf verwiesen, dass bestimmte Bezirke einen „Nachholbedarf“ an integrativer Praxis hätten. Das war in den frühen 1990er Jahren zu akzeptieren, kann jetzt jedoch nicht mehr als Begründung akzeptiert werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in diesen Bezirken und einzelnen Ortsteilen integrationsbehindernde Kräfte zur Erhaltung der Aussonderung aus der Regelschule, der Erhaltung von Sonderschulen – insbesondere der Sonderschule mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt „Lernen“ und der Aufrechterhaltung von Kleinklassen für den Förderschwerpunkt „Emotionale und soziale Entwicklung“ – wirken und Eltern entsprechend beeinflussen.

Der AK GEM fordert daher die Politikerinnen und Politiker des Landesparlaments nachdrücklich auf, von der Senatverwaltung einen konkreten Aktionsplan zu verlangen, um der gemeinsamen Erziehung und Bildung nicht nur im Berliner Schulgesetz, sondern auch in der Realität aller Berliner Bezirke, Vorrang zu verschaffen.

Tabelle 1: Vorrang der Gemeinsamen Erziehung? Bezirksunterschiede beim Anteil integrativer Unterrichtung im Förderbereich Lernen, Klassen 1-10 im Schuljahr 2004/05

Span

Fri-Kreu

Tem-Schö

Ste-Zeh

Mi-We-Tie

Cha-Wil

Rein

Nkö

Pan-Pren-Weiss

Tre-Köp

Mar-Hel

Lich-Hoh

Berlin

West

Berlin

Ost

67,1

55,5

46,0

45,4

39,8

37,5

32,4

23,3

22,1

9,8

6,5

5,6

41,9

10,9

Daten berechnet nach SBJS, II A; Preuss-Lausitz TU Berlin für den AK GEM.- Berlin West: alle ehemaligen westlichen Alt-Bezirke; Berlin Ost = alle ehemaligen östlichen Alt-Bezirke. Die absoluten Zahlen sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Bezirksunterschiede Grafik Tab. 1.doc

1

2

3

4

5

6

7

Bezirk

N

Gesamtzahl Schüler/innen mit dem sopäd. Förderschwerpunkt „Lernen“

N

integrierte Schüler/innen mit sopäd. Förderschwerpunkt „Lernen“ (GU)

N

Schüler/innen an Sonderschulen mit sopäd. Förderschwerpunkt „Lernen“ (SL)

v. H.

integrierte Schüler/innen mit sopäd. Förderschwerpunkt „Lernen“ (GU) [1]

v. H.

Schüler/innen an Sonderschulen mit sopäd. Förderschwerpunkt „Lernen“ (SL)

v.H.

Migranten 2 an Sonderschulen mit sopäd. Förderschwerpunkt „Lernen“

v. H.

Schüler/innen mit sopäd. Förderschwerpunkt „Lernen“ (GU+SL) 3 von allen Schülern 1-10

Charlottenburg

187

62

125

33,16

66,84

54,40

1,47

Friedrichshain

184

49

135

26,63

73,37

11,85

2,67

Hellersdorf

699

44

655

6,29

93,71

1,22

5,60

Hohenschönhausen

559

37

522

6,62

93,38

4,79

5,47

Köpenick

225

30

195

13,33

86,67

0,00

2,40

Kreuzberg

387

268

119

69,25

30,75

76,47

2,86

Lichtenberg

392

16

376

4,08

95,92

12,23

3,77

Marzahn

686

46

640

6,71

93,29

3,28

6,02

Mitte

150

16

134

10,67

89,33

20,90

2,99

Neukölln

1178

274

904

23,26

76,74

49,56

4,32

Pankow

338

59

279

17,46

82,54

2,51

3,56

Prenzlauer Berg

265

55

210

20,75

79,25

4,29

3,03

Reinickendorf

528

171

357

32,39

67,61

13,17

2,18

Schöneberg

288

163

125

56,60

43,4

62,40

2,58

Spandau

453

304

149

67,11

32,89

6,04

2,21

Steglitz

323

197

126

60,99

39,01

22,22

2,26

Tempelhof

288

102

186

35,42

64,58

5,91

1,78

Tiergarten

263

145

118

55,13

44,87

66,95

3,99

Treptow

305

22

283

7,21

92,79

5,65

3,49

Wedding

557

225

332

40,39

59,61

63,55

4,08

Weißensee

195

62

133

31,79

68,21

0,75

3,42

Wilmersdorf

282

114

168

40,43

59,57

26,19

2,98

Zehlendorf

212

46

166

21,70

78,3

6,63

2,01

Berlin West

4.946

2.071

2.875

41,87

58,13

39,13

2,75

Berlin Ost

3.998

436

3.562

10,91

89,09

4,97

4,06

Berlin insgesamt

8.895

2.507

6.388

28,03

71,97

20,38

3,21

Quelle: SenBJS IIA; Stichmonat 10/04; eigene Berechnungen Frank J. Müller; http://www.frank-müller.at; Fettdruck: unterdurchschnittliche Anteile an Integration

AK GEM über preuss-lausitz@tu-berlin.de ; Bezirksunterschiede GU SL 12-05.doc

Tabelle 3: Vorrang des Gemeinsamen Unterrichts? Bezirksunterschiede beim Anteil integrativer Unterrichtung (GU) im Förderbereich Lernen und bei allen Förderbereichen, Klassen 1-10 im Schuljahr 2004/05

Großbezirk

Span

Fri-Kreu

Tem-Schö

Ste-Zeh

Mi-We-Tie

Cha-Wil

Rein

Nkö

Pan-Pren-Weiss

Tre-Köp

Mar-Hel

Lich-Hoh

Berlin

West

Berlin

Ost

GU Förderbereich Lernen

67,1

55,5

46,0

45,4

39,8

37,5

32,4

23,3

22,1

9,8

6,5

5,6

41,9

10,9

GU Alle Förderbereiche

59,9

40,3

59,3

48,6

48,0

41,5

39,4

18,0

33,5

17,6

18,8

11,4

42,5

20,6

Gegebüberstellung Lernen/übrige Förderschwerpunkte Daten berechnet nach SBJS, II A; Preuss-Lausitz TU Berlin für den AK GEM.- Berlin West: alle ehemaligen westlichen Alt-Bezirke; Berlin Ost = alle ehemaligen östlichen Alt-Bezirke. Die absoluten Zahlen sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Bezirksdifferenzen L und alle Grafik.doc


[1] Gesamtschülerzahl des Bezirks Kl. 1-10

2 Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache

3 GU = gemeinsamer Unterricht; SL = Sonderschule mit sonderpäd. Förderschwerpunkt Lernen / Sonderschule für Lernbehinderte

Der Arbeitskreis Gemeinsame Erziehung in Berlin 1991-2006: Instrument der Kommunikation und des bildungspolitischen Einflusses

Ulf Preuss-Lausitz, unter Mitarbeit von Irene Demmer-Dieckmann, Peter Heyer, Inge Hirschmann, Monika Rebitzki, Manfred Rosenberger Februar 06 Copyright preuss-lausitz@tu-berlin.de Der Arbeitskreis Gemeinsame Erziehung in Berlin 1991-2006: Instrument der Kommunikation und des bildungspolitischen Einflusses

1 Was man aus diesem Text lernen könnte

Der Berliner „Arbeitskreis Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlichen“ (AK Gem) besteht seit 1991. Ich möchte an seinem Beispiel die Möglichkeiten und Erfahrungen der Zusammenarbeit zwischen sehr unterschiedlichen Menschen zum Nutzen integrativer Erziehung in verschiedenen Bereichen des Bildungssystems zeigen. Engagierte, aber oft vereinzelte Menschen und Organisationen in anderen Regionen könnten die Erfahrungen des AK Gem nutzen für die Entwicklung eigener Netzwerke und bildungspolitischer Instrumente. Sicherlich ist die Einrichtung des Arbeitskreises Gemeinsame Erziehung nicht der einzig richtige Weg und nicht nur eine Erfolgsgeschichte. An seinem Beispiel kann jedoch deutlich werden, wie Vernetzung von pädagogischer Praxis und bildungspolitischem Einfluss „von unten“ gestaltet werden kann, so dass andere aus den Erfahrungen lernen könnten.

2 Die Entstehung des AK Gem

Die ersten integrativen Kindertagesstätten, Kinderläden und Grundschulklassen entstanden in Berlin Mitte der 1970er Jahre. In den 1980er Jahren, als neben der integrativen Fläming-Grundschule die Uckermark-Grundschule und weitere einzelne Schulversuche dazukamen (Projektgruppe 1989, Heyer u.a. 1990, 1993), bestimmte die CDU-Schulsenatorin Laurin die West-Berliner Bildungspolitik. Kinder mit geistigen Behinderungen wurden, außer in der von ihrem Vorgänger Rasch (FDP) genehmigten Fläming-Grundschule, nicht zugelassen, weitere Integrationsklassen nur unter großen Mühen. So war es eine große Erleichterung, als die rot-grüne Landesregierung (März 1989-Dezember 1990) durch die Schulsenatorin Volkholz (Bündnis90/Die Grünen) die gemeinsame Erziehung und den gemeinsamen Unterricht unterstützte. Sie setzte einen integrationsorientierten Beirat ein, der das Elternwahlrecht zwischen Sonderschule und gemeinsamem Unterricht für die Grundschule (Kl. 1-6) und mehr Integration in der Sekundarstufe I vorbereitete. Auf Druck einer noch ängstlichen SPD und der Einschätzung, dies würde zunächst noch die allgemeinen Schulen überfordern, wurden dabei Kinder mit geistigen Behinderungen ausgenommen. Für sie wurde jedoch ein landesweiter Schulversuch mit erheblichen Ressourcen und wissenschaftlicher Begleitung eingerichtet, ebenso für die Integration in den Klassen 7-10. Die entsprechende Gesetzesnovellierung im § 10a des Schulgesetzes von 1990 war das letzte rot-grüne Gesetz, ehe die Koalition an anderen Fragen scheiterte. Das Gesetz wurde in der nachfolgenden Großen Koalition unter dem Berliner Schulsenator Klemann (CDU) nicht verändert, der Beirat jedoch aufgelöst und Integration auf dem Verwaltungsweg behindert. Ehemalige Beiratsmitglieder beschlossen in dieser Situation, einen Arbeitskreis zu gründen, der die Integrationsentwicklung in Berlin kritisch begleitet, Empfehlungen gibt, Öffentlichkeit herstellt und Interessierten ein Gesprächsforum bietet. Er sollte keine Alternative werden zu der damals bestehenden, sehr wichtigen Arbeitsgruppe innerhalb der GEW oder zu Elternvereinigungen wie z.B. „Eltern für Integration“, sondern ein Netzwerk zwischen allen engagierten Personen und Gruppen schaffen. Dieser Arbeitskreis wurde nicht überflüssig, als ab 1996 zunächst in der Großen Koalition, ab 2002 in der rot-roten Koalition das Bildungsressort von der CDU an die SPD überging (zunächst von Senatorin Stahmer, seit 1999 von Senator Böger geführt). Dadurch verbesserte sich zwar das „Integrationsklima“, die Notwendigkeit, die Bildungspolitik und die Verwaltungspraxis kritisch zu begleiten, blieb jedoch bestehen, insbesondere da auch der gemeinsame Unterricht wie so mancher andere Bereich der Berliner Schullandschaft vom Rotstift einer restriktiven Finanzpolitik nicht verschont blieb.

3 Zusammensetzung und Organisation

Der AK Gem, Ende 1991 konstituiert, trifft sich seither etwa alle 4-6 Wochen. An den Sitzungen nehmen regelmäßig etwa jeweils 30 Personen teil von etwa 60-70 Mitgliedern. Der AK Gem hat sich ausdrücklich nicht als Verein konstituiert, sondern ist ein freier Zusammenschluss geblieben. Unter seinen Mitgliedern sind Lehrkräfte (Sonderpädagogen, Lehrer an Grundschulen und an Schulen des Sekundarbereichs), Eltern einzelner Kinder mit Behinderungen und Vertreter/innen von Elternvereinigungen, Schulleiter/innen, Erzieherinnen und Leiterinnen von Kitas, Hochschullehrer/innen, Assistent/inn/en, Studierende, Referendare, Vertreter/innen der GEW, des Grundschulverbands, der Lebenshilfe, des Arbeitskreises Neue Erziehung, des Berliner Fortbildungsinstituts, der beruflichen Eingliederung und der Bildungsverwaltung (als Privatpersonen!). Zeitweilig nahm auch ein Vertreter der in den 1990er Jahren aktiven sog. „Krüppelgruppe“ teil, hielt aber die Positionen und Aktivitäten des AK Gem für zu reformistisch und blieb dann wieder fern. Die personelle Kontinuität des AK Gem ist außerordentlich hoch, dennoch kommen immer wieder neue Interessierte dazu und andere scheiden aus beruflichen oder persönlichen Gründen aus. Als hilfreich hat es sich erwiesen, dass über den Verf. als Hochschullehrer ein universitärer Sitzungsraum und durch sein Sekretariat die Zusendung von Tagesordnungen, Protokollen und Papieren, später dann die Betreuung und Versendung über E-mail übernommen werden konnte. Auch ist es günstig, dass die 1980 gegründete Arbeitsstelle Integration des Instituts für Erziehungswissenschaft der TU Berlin (kooperative Leitung: Prof. Dr. Jutta Schöler, Dr. Irene Demmer-Dieckmann und der Verf.) mit einer umfangreichen und ständig erneuerten Dokumentationssammlung (10.000 Titel, 100 Filme) in räumlicher und inhaltlicher Nähe liegt. Die Vorbereitung der Sitzungen, ihre Leitung und vor allem die Umsetzung von Beschlüssen und die Außenvertretung wird seit der Gründung von einem Team aus vier bis fünf Menschen, gewählt von den Mitgliedern, übernommen. In dieser „Sprecherrunde“ wirkten in den letzten 15 Jahren manche bis heute kontinuierlich mit, andere schieden nach langen Jahren aus und neue engagierten sich. Sprecher/innen waren bzw. sind Irene Demmer-Dieckmann, Peter Heyer, Inge Hirschmann, Monika Rebitzki, Manfred Rosenberger und der Verfasser.

4 Themen der Diskussionen und Aktivitäten

Die Mitglieder des AK Gem planen etwa zwei Mal jährlich die inhaltlichen Schwerpunkte für die folgende Zeit. Diese Schwerpunkte dienen drei Zielen: Zum einen dem Informationsaustausch. Zum Zweiten, um unter den Mitgliedern mit ihren so unterschiedlichen Erfahrungen, professionellen Blicken und Interessen, gemeinsame Positionen zu entwickeln oder doch wenigstens Für und Wider solidarisch-argumentativ abzuwägen. Drittens, um bildungspolitisch initiativ zu werden oder auf problematische Entwicklungen zu reagieren. Die Arbeitsthemen innerhalb des AK Gem haben sich im Laufe der Zeit teilweise gewandelt, andere mussten immer wieder aufgegriffen werden. Eine kleine, unsortierte Auswahl: Was ist guter integrativer Unterricht? Welche Rolle können dabei Sonderpädagogen sinnvoll einnehmen? Sollen Sonderpädagogen mit ganzer Stelle Teil des Regelschulkollegiums sein und welche Erfahrungen haben Schulen mit einem Ambulanzlehrersystem bzw. mit den neuen Förderzentren? Wie ist die Sicht der Ambulanzlehrkräfte selbst? Soll es planerische Vorgaben geben, die nicht an Förderausschüsse des Einzelfalles, sondern an die Zahl der Schulpflichtigen gebunden werden (Diskussion um das „Schleswig-Holsteiner Modell“)? Sollen Kinder überhaupt „etikettiert“ werden (Diskussion um das „Hamburger Modell“ und das „Ressourcen-Etikettierungs-Dilemma“)? Wie sollen Förderausschüsse zusammen gesetzt sein, welche Kompetenzen sollen sie haben? Welche Tests sind sinnvoll, welche fragwürdig? Gibt es „Grenzen der Integration“, z.B. mit verhaltensauffälligen Kindern? Wie kann die Betreuung und Förderung von Kindern mit Behinderungen am Nachmittag integrativer gestaltet werden (und durch wen im Rahmen der Ganztagsschulentwicklung)? Warum haben Eltern mit Migrationshintergrund mehr Skepsis gegenüber Integration, und was kann man tun? Ist „Elternwahlrecht“ die richtige Perspektive oder muss man damit kritisch umgehen, um die Kinder von weniger aktiven Eltern nicht zu benachteiligen? Welche Zeugnisse, Bewertungen und Abschlüsse sind für Kinder mit Behinderungen hilfreich? Wie sind die Rahmenbedingungen zu bewerten (sonderpädagogische Stunden/Stellen, Frequenzen, Genehmigungsverfahren, Förderausschüsse usw.)? Muss der „Sonder-Status“ am Ende der Sekundarstufe I bewahrt werden, um die Fördertöpfe für die berufliche Ausbildung zu sichern? Wie kann Integration mit den Problemen der Schulen in sozialen Brennpunkten verbunden werden? Soll es bei Grundschulen und bei Schulen des Sekundarbereichs Integrations-Schwerpunktschulen geben? Wie kann die Schnittstelle Kita/Grundschule, Grundschule/ Sekundarschule und Schule/Berufsausbildung optimiert werden? Welche Rolle können die „Schulhelfer“ der Lebenshilfe (später: „Tandem“ – einer gemeinnützigen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH) bei der gemeinsamen Erziehung spielen? Welche Auswirkungen hat das Sozialgesetzbuch IX? Wie kann Schule und Jugendhilfe für die gemeinsame Erziehung besser verbunden werden? Wie kann die Lehrerausbildung so verändert werden, dass Sonderpädagogik-Studierende schon in der Ausbildung Integrationserfahrungen machen und die anderen Lehramtsstudierenden Grundkenntnisse der gemeinsamen Unterrichtung und Erziehung lernen? Diese und andere Themen waren oft zugleich Grundlagen bildungspolitischer Aktivitäten: Veranstaltungen, Briefe, Ringvorlesungen, Positionspapiere, Gespräche und Tagungsmitwirkungen. Vieles wurde natürlich auch von „außen“ aufgezwungen, weil Politik und Verwaltung auf Landes- oder lokaler (bzirklicher) Ebene wieder einmal Unfug trieben. Manches wurde realisiert, anderes scheiterte. Erfolgreich war der AK Gem bei folgenden Aktivitäten: • Das Antragsrecht der Erziehungsberechtigten in der Grundschule konnte durch ein (fast) uneingeschränktes, im Schulgesetz verankertes Wahlrecht ersetzt werden; zugleich wurde die Sonderrolle der Kinder mit geistigen Behinderungen im Primarbereich beseitigt und in der Sekundarstufe I ein entsprechender Schulversuch installiert (1996). • Die Teilnahme der Eltern an den Förderausschüssen konnte verteidigt werden (solange es Förderausschüsse gab; seit dem Schulgesetz von 2004 existieren sie nur noch in Sonderfällen). • In der Lehrerbildung wurde (gegen den Widerstand aus FU und HU Berlin) durchgesetzt, dass alle Lehramtsstudierende eine Lehrveranstaltung zum gemeinsamen Unterricht besuchen müssen (2000). Diese Vorgabe blieb bei der Umstellung auf Bachelor/Master erhalten (2004). Referendare der Sonderpädagogik können nun ein Viertel ihrer Praxisteile im integrativen Unterricht absolvieren (2004). • Die Grundausstattung für Integration mit ursprünglich 4,5 h im Unterricht und 0,5 h für Planung usw. wurde zwar um 0,5 h reduziert, konnte jedoch bislang trotz realer bezirklicher Schwankungen wenigstens formal mit verteidigt werden. • Der Vorrang der gemeinsamen Erziehung wurde, trotz mancher Widerstände aus dem Sonderschulsystem, im neuen Schulgesetz verankert (2004). Das ist vor allem für potenzielle rechtliche Widersprüche und Verwaltungsklagen wichtig. Die Überzeugungsarbeit des AK Gem und anderer gegenüber dem Parlament hat Früchte getragen. Außerdem trug der Ak Gem zusammen mit anderen dazu bei, dass die im Schulgesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit der Abweisung von Integration durch Schulleitungen „aus pädagogischen Gründen“ ersatzlos gestrichen wurde (geblieben sind sächliche, personelle und organisatorische Gründe bzw. Vorwände). Ein häufig genutztes Instrument des AK Gem, um Missstände anzuprangern und möglichst zu beseitigen, waren und sind Briefe an und Gespräche mit Abgeordneten, den politisch und/oder fachlich Verantwortlichen der Bildungsverwaltung und der Presse. Themen waren u.a. die jeweiligen Gesetzes- und Verordnungsentwürfe zur sonderpädagogischen Förderung, zu Zeugnissen und Abschlüssen, die (leider immer noch getrennten) neuen Rahmenpläne für die Grundschule und für „Schüler/innen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen“, die anhaltende und skandalöse geringe Integrationsbereitschaft in Ostberliner Schulen, die Hortbetreuung für behinderte Kinder in der Sekundarstufe I und immer wieder strittige Einzelfälle. Gerade der regelmäßige Kontakt mit den Fachpolitikern ist außerordentlich nützlich. Häufig übernahmen sie unsere Themen und formulierten daraus Anträge oder Anfragen, die von der Verwaltung beantwortet werden müssen. Auch die Gespräche mit der Bildungsverwaltung, die anlässlich strittiger Themen etwa jährlich stattfinden, verfehlen nicht jede Wirkung – wenngleich der AK Gem zuweilen das Gefühl hat, wie Sisyphos den Stein hinaufzurollen und ihn dann doch herabstürzen zu sehen. Aber immerhin: Berlin hat inzwischen eine Integrationsquote von rd. 32% (Grundschule 45%, Sekundarstufe 23%). Das ist zwar immer noch kein „Vorrang“, aber im bundesweiten Vergleich (13%) doch beachtlich. Sisyphos, sagt Camus, muss man sich als einen glücklichen Menschen vorstellen. Daher wird der Ak Gem auch weiterhin in seinem Sinne tätig sein und hofft, der Stein der Integration möge eines Tages oben liegen bleiben. Andererseits wissen wir natürlich: Auch der Weg ist ein Ziel…

5 Warum dieses Konzept auch anderswo hilfreich sein kann

Die Vernetzung in einer Region zwischen Menschen aus den Familien und Schulen, den Kitas und Horten, den Hochschulen, den Selbsthilfegruppen, den Fortbildungseinrichtungen und Verwaltungen ist außerordentlich lehrreich – für alle Beteiligten – und wirksam. Sie stärkt und motiviert, gerade auch wenn nur kleinste Erfolge erreicht werden können, eben durch die gemeinsame Auseinandersetzung und Positionierung. Viele Mitglieder erhalten Informationen, die sonst nur „Insider“ haben, und können so in ihrem Tätigkeitsfeld besser wirksam werden. Auch können manch „dramatische“ Gerüchte meist negativer Art auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden. Die Tatsache, dass der AK Gem überhaupt besteht und wieder einmal die mediale und politische Öffentlichkeit aufschrecken könnte, führt gelegentlich schon zu vorsichtigerem Verwaltungshandeln. Solange die Mitglieder des AK Gem diesen als einen für sie hilfreichen Ort der Kommunikation ansehen, wird er weiter bestehen. Es genügt also nicht, sich elektronisch zu vernetzen oder websides zu haben. Das ist zwar nützlich; entscheidend ist jedoch die Zusammenkunft, das reale Gespräch, die gemeinsame Aktion. Es ist daher empfehlenswert, dass Integrationsengagierte, quer zu ihren bisherigen Bezugsgruppen, solche Arbeitskreise regional aufbauen, um Fragen und Probleme vor Ort in einem bildungs- und verbandspolitisch unabhängigen Arbeitskreis kritisch und solidarisch, gleichsam „zivilgesellschaftlich“ und als „Nicht-Regierungs-Organisation“ zu bearbeiten und Lösungen pragmatisch zu befördern.

Hinweise und Literatur

Projektgruppe (Hg.): Das Fläming-Modell. Weinheim und Basel: Beltz 1989 Heyer, P. /Preuss-Lausitz, U./Zielke, G. : Wohnortnahe Integration. Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder in der Uckermark-Grundschule in Berlin. Weinheim und München: Juventa 1990 Heyer, P. / Korfmacher, E. / Podlesch, W. /Preuss-Lausitz, U. /Sebold, L. (Hg.): Zehn Jahre wohnortnahe Integration. Behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam an ihrer Grundschule. Frankfurt/M.: Der Grundschulverband 1993 Schnell, I.: Geschichte schulischer Integration. Gemeinsames Lernen von SchülerInnen mit und ohne Behinderung in der BRD seit 1970. Weinheim und München: Juventa 2003 Anhang: Eine Auswahl von Positionspapieren des AK Gem können heruntergeladen werden unter www.ewi.tu-berlin.de (downloadbereich, preuss-lausitz): • Initiative zur Überwindung integrationsfeindlicher Praxis in bestimmten (vor allem östlichen) Bezirken Berlins zur Erreichung des Vorrangs der gemeinsamen Erziehung (2006) • Stellungnahme zum Rahmenlehrplan für den Förderschwerpunkt Lernen, (2005) • Stellungnahme zur Neufassung der Sonderpädagogischen Verordnung (2004) • Stellungnahme zur „Neuen Schulanfangsphase“ (2004) • Stellungnahme zum Verhältnis Ganztagsschule und Integration (2004) • Stellungnahme zum Verhältnis Schule – Jugendhilfe unter integrationspädagogischen Gesichtspunkten (2003) • Gemeinsamer Unterricht in Schulen sozialer Brennpunkte (2000) • Stellungnahme zur äußeren Differenzierung in den Grundschulklassen 5 und 6 (2001) • Zur Weiterentwicklung der gemeinsamen Erziehung und des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Behinderungen in der Berliner Schule (1998). Kritik, Anfragen und Informationen an: preuss-lausitz@tu-berlin.de

Stellungnahme des AK GEM zum Rahmenlehrplan für den Förderschwerpunkt Lernen in der ( Entwurfsfassung vom Februar 2005 )

Der Arbeitskreis Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher (AK GEM) hat sich in seiner Sitzung am 12.04.2005 mit dem sehr umfangreichen Rahmenlehrplan für den Förderschwerpunkt Lernen in der Entwurfsfassung vom Februar 2005 beschäftigt. Da der Entwurf erst ab dem 25.02.2005 vorlag, war es dem AK GEM aufgrund der sehr kurzen Zeitvorgabe nicht möglich, eine Stellungnahme, wie gewünscht, bis zum 31.03.2005 zu beschließen, zumal auch noch die Osterferien in diese Zeit fielen. Aufgrund des kurzen Rückmeldezeitraums hat sich der AK GEM auf die aus seiner Sicht zentrale n Aspekte beschränkt. Der AK GEM begrüßt die auch im Schulgesetz formulierte Aussage, dass die Ziele der sonderpädagogischen Förderung im Förderschwerpunkt Lernen sich „grundsätzlich an den Bildungs- und Erziehungszielen der allgemeinen Schule“ (S. 7) orientieren. Der AK GEM bedauert jedoch, dass das in Schleswig-Holstein realisierte Modell, einen integrierten Lehrplan für die sonderpädagogische Förderung aller Förderschwerpunkte zu entwickeln (Umfang von insgesamt 150 Seiten), für Berlin und Brandenburg nicht umgesetzt wurde. Für die Lehrerinnen und Lehrer an ca. der Hälfte aller Berliner Schulen – so viele arbeiten im Gemeinsamen Unterricht! – , hätte hat dieses Nebeneinander verschieden strukturierter Rahmenlehrpläne die aus unserer Sicht unzumutbare Folge, dass Lehrerinnen und Lehrer die Vorgaben der verschiedenen, jeweils sehr umfangreichen, Rahmenpläne abgleichen und im Unterrichtsalltag umsetzen müssen. Der AK GEM hat dies bereits mehrfach kritisiert und sich für eine Vereinfachung und mehr Übersichtlichkeit bei zukünftigen Rahmenplänen ausgesprochen. Der AK GEM schlägt für die Rahmenpläne der Grundschule, der Sekundarstufe I und für den Förderschwerpunkt Lernen eine synoptische Struktur vor. In Form einer zusätzlichen Spalte (oder durch farbliche oder kursive Markierungen) könnten innerhalb der Rahmenlehrpläne für die Grundschule und für die Sekundarstufe I die besonderen Erfordernisse für den Förderschwerpunkt Lernen eingearbeitet werden. Auf diesem Weg würden sich sehr viele allgemeine und nicht lernbehinderungsspezifische Aussagen und Redundanzen, z. B. mit dem Lehrplan der Grundschule in den Kapiteln 1,2; 4.2 und 6, erübrigen und Synergieeffekte genutzt werden. Auch die analog zum Grundschullehrplan verwendeten Strukturen, die Unterscheidung in Anforderungen und Inhalte, die vier Aufgabenbereiche im Deutschunterricht, die im Anhang wörtlich gleich formulierten Anhaltspunkte und die Liste der Fachbegriffe (S.102f.) sprechen für eine solche Struktur. Für die Lehrerinnen und Lehrer wäre hierdurch übersichtlich und transparent, zu welchen als verbindlich ausgewiesenen Anforderungen und Inhalten (S. 15) es Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede gibt, die bei der Erstellung individueller Förderpläne berücksichtigt werden müssen, welche laut Schulgesetz Grundlage der sonderpädagogischen Förderung sind. Unseres Erachtens ist diese Aufgabe vom Rahmenplan zu leisten und nicht individuell von jedem Lehrerteam einer integrativ arbeitenden Klasse. Wir halten deshalb eine stärkere strukturelle Angleichung des Rahmenlehrplans für den Förderschwerpunkt Lernen und der Rahmenpläne für die Grundschule und für die Sekundarstufe I für unerlässlich. Der vorliegende Rahmenlehrplanentwurf Lernen fokussiert stärker auf den Förderort Sonderschule/Förderschule und nicht, wie es der formulierte und auch erforderliche Auftrag ist, auf alle Schulen, in denen Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt unterrichtet werden (vgl. S. 7). Dies wird besonders bei den Leitthemen im Teil B deutlich, die verbindliche Grundlage für die Unterrichtsarbeit gemäß Rahmenlehrplan Förderschwerpunkt Lernen sein sollen (vgl. S.14), aber keine Entsprechung im Rahmenplan der Grundschule finden. Es besteht deshalb das Problem, wie diese nur im Rahmenlehrplan Förderschwerpunkt Lernen als verbindlich erklärten Themen im Gemeinsamen Unterricht der Primar- und Sekundarstufe I integriert unterrichtet werden können. In der vorliegenden Entwurfsfassung wird der Rahmenplan für den Förderschwerpunkt Lernen seinem integrierten Anspruch für alle Förderorte nicht gerecht. Im Übrigen vertreten wir die Auffassung, dass die Realisierung eines fächerübergreifenden Unterrichts zu den originären Aufgaben der Lehrerinnen und Lehrer gehört und als Teil des schuleigenen pädagogischen Handlungskonzeptes anzusehen ist, nicht aber durch die Vorgabe bestimmter Leitthemen in Rahmenlehrplänen festgelegt werden sollte. Außerdem weisen wir darauf hin, dass unter den Schülerinnen und Schülern mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen besonders viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind. Der vorliegende Rahmenlehrplanentwurf macht zur speziellen Förderung dieser Schülerinnen und Schüler nur wenige und sehr allgemein gehaltene Aussagen (z.B. auf den S. 13, 63, 75). Der AK GEM hält hier differenziertere Aussagen für dringend erforderlich. Die formulierten Leistungserwartungen am Ende der Doppeljahrgangsstufen müssten deutlicher auf ein breites Niveauspektrum bezogen sein, das sowohl die Leistungsniveaus der Grundschulrahmenpläne als auch des Rahmenplans für den Förderschwerpunkt Lernen umfasst. Formuliert man nur das Spektrum der Leistungserwartungen an die Schülerinnen und Schüler des Förderschwerpunktes Lernen, müsste auch hier ein synoptischer Überblick erfolgen, der die Leistungserwatungen beider Rahmenplananteile darstellt und so die erforderliche Arbeit mit beiden Rahmenplänen im gemeinsamen Unterricht der allgemeinen Schule erleichtert bzw. erst sinnvoll möglich macht. Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen für den AK GEM Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz Dr. Irene Demmer-Dieckmann